Kultur vor der Kultur


Lebensbedingungen

Die Bewohner des Regenwaldes sind fürchterlichen Belastungen durch Insektenbisse (Ameisen, blutsaugende Sandfliegen), durch Blutegel, die auch in alle möglichen Körperöffnungen eindringen, und durch Gifttiere ausgesetzt.

Die Siedlungen der Penan befinden sich daher immer an erhöhtem Ort: wegen der besseren Luft und weniger Insekten, als Schutz vor Überschwemmung und Nässe.

Eine große Honigbiene, die riesige freihängende Nester baut, wird durch den Rauch der Penan-Siedlungen angelockt und aggressiv.

Die Vorderfüße der Hundertfüßer besitzen Giftdrüsen; ein Vogelspinnen-Biss führt zu tagelanger Lähmung und einer schlecht heilenden Wunde. Und Bruno Manser beschließt seine Aufzeichnungen, indem er beschreibt, wie er nur mit größter Mühe einen Schlangenbiss der Grubenotter Trimesurus übersteht, - und danach allen Giftschlangen den Tod wünscht! Das Gift hatte einen wichtigen Beinmuskel zum Abfaulen gebracht, denn er hatte es versäumt, das Gift durch Ausbluten zu entfernen.

Die Penan sind stark von Läusen befallen, haben häufig Hautkrankheiten, und auch ihre Hunde sind räudig.

Sie haben zumeist sehr schlechte Zähne, was der Autor auf den übermäßigen Verzehr extrem saurer Früchte zurückführt.


Anscheinend ist die malaiische Regierung (oder die malaiische Chemie-Industrie) überaus interessiert an der Gesundheit der Bevölkerung: alle paar Monate würden auch die Hütten entlegenster Siedlungen von speziellen Teams mit großen Mengen DDT behandelt.


Jagd als Ernährungsgrundlage

Diese Dokumente stellen die Lebensweise einer letzten Kerngruppe der Penan als nomadisierende Jäger heraus.

Viele Regenwälder sind im Vergleich zu den sie umgebenden Biomen so arm an Jagdtieren, dass die den Regenwald bewohnenden Völker sich mehr auf einen Hackbau und gesammelte Pflanzennahrung verlassen als auf die Jagd. Das gilt übrigens auch für die Nachbarn der Penan, die eine viel größere Zahl erreichen als diese. Doch zeichnet sich der Regenwald von Borneo im Unterschied zu dem in Afrika durch seinen bemerkenswerten Reichtum an Wildschweinen aus, die die Ernährungsgrundlage der Penan ausmachen.

Der Autor gibt selbst an, Dayak - zu denen wohl auch die Penan zu rechnen sind - würden als sesshafte Brandrodungsbauern angesehen: die Rodearbeiten finden in der Trockenzeit (VIII - IX) statt, dann erfolgt Trockenreis-Anbau mit einigen Mischkulturen. Reisanbau ist also bei den Dayak ebenfalls eine ursprüngliche Tradition.

Aus der Beschreibung Mansers leite ich die Theorie ab, dass die Konzentration der Penan auf die Jagd erst in kulturgeschichtlich jüngerer Zeit dank verbesserter Waffen erfolgen konnte, die nur mit Eisen, Messerklingen oder Werkzeugen herzustellen sind, welche aber durch Handelsaustausch nach Borneo eingeführt werden müssen.


Der Umgang der Penan mit den Naturressourcen ist keinesfalls ein positives Modell für die sie an Küsten, Flüssen und Rodungen umgebenden Volksmassen, denn das oft beschworene steinzeitliche Gleichgewicht zwischen menschlichen Eingriffen und der Natur besteht nicht mehr.

Sie könnten aber als die besten Kenner des Waldes eine wichtige Funktion als Vermittler seiner wertvollsten Produkte ausüben: das sind nicht nur das Holz selektierbarer Baumarten, Widbret, Harze, Medizin, sondern auch das genetische Erbe fast aller Lebewesen der nördlichen Hemisphäre.

Die südostasiatischen Regenwälder lieferten der waldbewohnenden Urbevölkerung einen Lebensunterhalt außer durch Wildtiere auch durch mehrere Arten von Sago-Palmen; die Sagogewinnung wird ausführlich beschrieben.
Leider gibt der Autor keine genauen Informationen zum Mengenverhältnis der pflanzlichen zur tierischen Nahrung.



Bruno Manser betont den großen Zeitaufwand der Jagd, die oft erst nach Tagen erfolgreich ist.

Die Jagd mit dem Speer beschert am sichersten Beute, während mit Blasrohr oder Gewehr gejagte Tiere sich dem Jäger sehr häufig entziehen. Der Speer muss sofort zurückgezogen werden, damit das verletzte Tier ihn nicht mit sich nimmt. Wird das Wildschwein erst nach langer Verfolgungsjagd gespeert, “so versteift sich der Leib .. krampfartig” und das “Fleisch schmeckt fade”.

Die Jagd mit dem Speer wird sicher durch angriffslustige und ausdauernde Hunde erleichtert, doch behauptet der Autor an anderer Stelle, Hunde verscheuchten das Wild (das gilt wohl besonders beim Anpirschen mit dem Blasrohr).
Doch lassen sie sich kaum abwimmeln; ihr umgängliches Wesen mehr als ihr Nutzen macht sie zum Begleiter des Menschen.


“Alles, was sich bewegt, dient als Ziel des Blasrohrpfeils, ob zur Nahrung, oder nur als Spiel.”

Diese Jagd mit vergifteten Pfeilen dürfte weniger anstrengend sein als die Verfolgung und Speerung des Wildes, außerdem erhält der Jäger Zugriff auf die in den Baumkronen vermeintlich sicheren Affen und Vögel.

Aber nur ein Drittel der mit Giftpfeilen geschossenen Tiere werden auch wieder gefunden (wegen der langen Wirkungsdauer des Giftes von bis zu 60 Min.).

Die Jagdstrecke einer großen nomadischen Sippe (13 Familien, 53 Mitglieder) in einem noch relativ intakten, dünn besiedelten Jagdgebiet belief sich innerhalb von 2 Wochen auf ca. 40 Affen, 11 Zwergrehe, 6 Hirsche usw.; mindestens noch einmal so viele Tiere entkamen den Jägern. Die Wildschweine waren zur Zeit in ein Gebiet mit reifen Früchten abgewandert.

Die Jagd mit Blasrohr und Gift dürfte die bedeutendste Kulturschöpfung der Punan sein, die sie ebenso hemmungslos und prahlerisch handhaben wie die moderne Zivilisation das Auto.

Gerne würden die Penan mit Gewehren jagen, insbesondere wegen des Verlustes ihreses Pfeilgiftes durch die Abholzung der Naturwälder; doch an die Urbewohner Sarawaks werden keine Schusswaffen verkauft, damit sie gegenüber den Loggingfirmen und der militärischen Staatsgewalt wehrlos bleiben.


Die Penan erweisen sich als arglistige Tierschlächter, die keinerlei Verständnis für die Qualen der Kreatur haben. Hier besteht eine große Analogie zur Arbeit in der Zivilisation, die auch keinerlei Rücksicht auf die Auswirkungen dieser Arbeit nimmt. Die Jagd ist die Arbeit der Penan, die ihrem Lebensunterhalt dient.

Natürlich führt auch die Lebensweise der Penan zu Artenverlusten, besonders wenn das Jagdgebiet auf winzige Reste zusammenschrumpft.
Ein Penan erzählt beiläufig, er habe in seinem Leben schon 100 Bären erlegt, und die Jagdstrecke an seltenen Tieren jedes Einzelnen ist unendlich lang.

Manser bezeichnet die Bären übrigens fälschlich als Kragenbären, die nur auf dem Festland in eher gemäßigtem Klima vorkommen und viel größer sind als der hier gemeinte Malaienbär (Helarctos malayanus).

Das letzte Nashorn war von den Penan noch vor der Invasion der Japaner erlegt worden, - sämtliche Teile wurden als Medizin verkauft.

Auf Grund des Rückganges der Wildtiere, begnügen sie sich häufiger mit Fisch. Auch durch das Fischen mit dem giftigem Pflanzensaft von Dioscorea-Arten kommt es zu einem starken Rückgang der Gewässerfauna.

Andererseits ist Nahrungserwerb Kultur und somit auch die Jagd.


Sobald der Wildbeuter aber als verlängerte Kettensäge Sklave exploitierender Wirtschaftsinteressen wird, ist sein Schicksal besiegelt; seine Lebensgrundlage und seine kulturelle Eigenständigkeit sind dahin.



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