Seebeben mit anschließendem Tsunami in Südasien, Weihnachten 2004



Zusammenfassende Einschätzung der Katastrophe

Auswirkungen auf die Siedlungsgebiete

Notwendige Maßnahmen

Auswirkungen auf Lebensräume



Zusammenfassende Einschätzung der Katastrophe

Schon zwei Tage nach der Katastrophe ging man von etwa 60000 Todesopfern aus, weitere zehntausende wurden vermisst. Am dritten Tag hatten die bestätigten Flutopfer eine Zahl von 80000 erreicht. Zu Beginn des neuen Jahres ging man von über 150000 Opfern aus, ein paar Tage später von 200000. Ende Januar wurden die Zahlen der bestätigten Todesopfer um die der Vermissten aufgestockt, sodass eine Zahl von ungefähr 300000 erreicht wird.

Ein sehr großer Teil der Opfer musste aus hygienischen Gründen ohne sofortige Identifikation in Massengräbern begraben werden. Insbesondere in Thailand und Indien wurden modernste forensische Methoden angewendet, um die Opfer später noch anhand der erhobenen Daten identifizieren zu können.

Insgesamt wurden bis zu 9000 ausländische Touristen vermisst, die meisten davon kamen aus Skandinavien, aus Deutschland und der Schweiz, aus den USA und aus Hongkong. Vorübergehend war von über 3000 vermissten Deutschen die Rede, daraufhin meldete sich offenbar ein großer Teil der Vermissten.

Auch Ende Januar wurden noch fast 4000 Touristen vermisst, während es bis dahin bei der Zahl der bestätigten Todesfälle von nur 400 blieb!


Bald nach den Flutwellen war mit dem Ausbruch von Krankheiten wie Cholera, Typhus und Ruhr zu rechnen. Nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) war die Seuchengefahr für 150000 Menschen extrem hoch.

Die Auswirkungen des Seebebens und des Tsunamis haben in Südasien nach Angaben der WHO bis zu 5 Millionen Menschen getroffen und von der Grundversorgung abgeschnitten.

Das bedeutet insbesondere Millionen Menschen ohne hinreichende Trinkwasser-Versorgung, die zur Verhinderung von Seuchen sichergestellt werden muss. Allerdings dürfte die Trinkwasser-Versorgung aus dem Landesinneren in Küstengebieten nichts neues sein.

In ersten Schätzungen ging man auch von insgesamt 3 Millionen Obdachlosen aus.

In Indonesien scheint eine allgemeine Fluchtbewegung in andere Landesteile eingesetzt zu haben und wegen der vorläufig irreparablen Schäden war bei regionalen Quellen schon von einer planmäßigen Umsiedlung die Rede. Am 5.1.2005 hieß es, es gebe in Sumatra knapp 500000 Flüchtlinge, und die UNO plane den Bau von Flüchtlingslagern für eine halbe Million Menschen.

An die internationale Staatengemeinschaft stellt das globale Ausmaß dieser Naturkatastrophe besondere Anforderungen.


Auswirkungen auf die Siedlungsgebiete

Durch den großen Verlust an Kindern und Jugendlichen spricht man von einer "verlorenen Generation" in den betroffenen Gebieten.

In Sumatra bedeutet der Verlust der dem Bergland vorgelagerten landwirtschaftlichen Flächen ein großes Problem, während die Ökonomie in Sri Lanka und Indien eher auf den Fischfang ausgerichtet ist. Bauern, Fischer und Kleingewerbetreibende sind ruiniert, weil sie keine Reserven für einen Neuanfang besitzen. In Thailand wurden auch die ökologisch umstrittenenen Shrimp-Zuchtanlagen geschädigt, die fast so viele Arbeitskräfte beschäftigen wie die Tourismus-Industrie.

Die größten materiellen Schäden wurden sicher durch Zerstörung der Bausubstanz verursacht. Schwerwiegender ist die Versalzung von Trinkwasserbrunnen und die Kontamination von Versorgungsanlagen.

Gerade die Küstenfischer, die vom Meer leben, haben oft alles verloren. Es hieß, viele Fischerboote würden vermisst, aber gerade die Boote, die an Land waren, wurden zerstört. Leider gibt es keine weiteren Informationen, ob bemannte Boote auf See von Tsunami-Wellen erfasst wurden. Der japanische Begriff ‘Tsunami’ = Hafenwelle stammt eigentlich von den Erfahrungen der Fischer her, denen auf See nichts beunruhigendes aufgefallen war, die dann aber ihre Heimathäfen zerstört vorfanden. Es ist möglich, dass Boote im Küstenbereich von Tsunami-Wellen zum Kentern gebracht oder abgetrieben werden. Angeblich sollen auch in Burma (Myanmar) viele Fischerboote verschwunden sein und auch viele Stammesmitglieder der Seenomaden vermisst werden.

Besonders tragisch mutet das Schicksal kleiner Traum-Eilande mit Urlaubern an, die von den Wogen überrannt wurden. Inseln ohne zentrale Anhöhen sind einem Tsunami schutzlos ausgeliefert.

Andererseits bestehen nun Hoffnungen, dass die sensiblen Küsten-Lebensräume, die bisher selbst in Schutzgebieten rücksichtlos dem Tourismus geopfert wurden, aus Sicherheitsgründen in Zukunft als Pufferzonen von Bebauung und Nutzung ausgenommen werden. Gerade Wald und Mangrove besitzen auch das Potential, die Gewalt von Hochwässern, die ja auch durch Zyklone hervorgerufen werden, abzumildern.

In Thailand wurden viele Touristen-Anlagen gebaut, ohne dass die Unternehmer das Land überhaupt besaßen, selbst in Naturschutzgebieten. Nach Fertigstellung der Anlagen sind sie kaum noch vom Fleck zu bewegen [www.bangkokpost.net, 29.12.2004].


Notwendige Maßnahmen

Bei der Zerstörung der sanitären Infrastruktur ganzer Regionen besteht die Gefahr von Seuchen. Zunächst breiten sich Durchfallkrankheiten durch verschmutztes Trinkwasser aus. Verschmutztes Wasser ist auch Brutstätte für Typhus, Cholera, Shigellenruhr und Hepatitis. Durch einfache Tröpfcheninfektion der zusammengedrängten Katastrophenopfer können Tuberkulose, Diphterie und Masern übertragen werden (in Sri Lanka grassierte gerade eine Masern-Epidemie). [Hildegard Kaulen in FAZ, am 5.1.2005]

Die obdachlosen Opfer sind auch großen Gefahren durch krankheitsübertragende Mücken ausgesetzt, allerdings wurden deren Brutstätten zunächst durch Salzwasser zerstört. In einigen Wochen haben sie sich aber wieder stark vermehrt; dann gehe die größere Gefahr von den das Dengue-Fieber übertragenden Aedes-Mücken aus, die sich in verschmutztem Wasser vermehren, während sich die Anopheles-Mücken, die Malaria übertragen, nur in sauberem Wasser vermehren [Tomas Jelinek, Tropeninstitut Berlin, zitiert in der FAZ, am 31.12.2004].

Sicherer als eine medizinische Versorgung und die Lieferung von sauberem Trinkwasser ist daher in manchen Regionen die Evakuierung an andere Orte mit ausreichender Hygiene.

Zwei Millionen Menschen mussten mit dem Lebensnotwendigsten versorgt werden, doch in manche abgelegene Gebiete in Aceh und Somalia war man auch Wochen nach der Katastrophe noch nicht vorgedrungen.

Ein großer Teil der Bevölkerung wurde in tiefste Not gestürzt, aus der sie sich aus eigener Kraft nicht befreien kann. Die Regierungen sollten sich daher durch finazielle Soforthilfen um diese Gruppen kümmern und die touristische Infrastruktur weniger beachten.


In früheren Zeiten mit geringerem Bevölkerungsdruck wurden Siedlungen nur an vor Naturgewalten sicheren Orten angelegt, obwohl die Frequenz von Katastrophen sicher geringer war.

Auch moderne Sicherheitskonzepte sollten Zonen relativen Schutzes vor Vulkanausbrüchen, Erdbeben, Hochfluten ausweisen, um sie als inneren Siedlungsbereich zu beplanen.

Man muss den für das Geomonitoring und den Katastrophenschutz zuständigen Stellen mit Fug und Recht vorwerfen, dass sie aus der deutlich verfügbaren Information über ein starkes Seebeben nicht den notwendigen Rückschluss gezogen haben, dass sich nun in alle Richtungen ein Tsunami ausbreiten werde. Hierfür ist nicht unbedingt ein Warnsystem mit Sensoren auf dem offenen Meer notwendig.

Allerdings gab es aufgrund der bekannten Rücksichtnahmen auf politische und ökonomische Strukturen auch keine Institution, die in den betroffenen Ländern den "worst case" als reale Größe ernst genommen hätte. Andererseits wäre wegen der besonderen geologischen Situation Indonesiens eine solche Institution dringend notwendig gewesen. Leider oder besser zum Glück wird es nach der Statistik nicht so bald wieder eine Gelegenheit geben, ein funktionierendes Tsunami-Management unter Beweis zu stellen.

Die Nachrichten des pazifischen Tsunami-Warnsystems in Hawaii sollen immerhin dazu geführt haben, dass in Kenia und Somalia "die Küstenregionen .. größtenteils evakuiert" wurden [SPIEGEL ONLINE, 3.1.2005].

Die meisten Opfer fallen aber erfahrungsgemäß in der Nähe des Seebebens an. In diesen Regionen ist die Vermittlung eines Verhaltenskodexes für den Katastrophenfall an die Bevölkerung wichtig. In Hawaii, das von häufigen Seebeben vor Alaska und den Aleuten betroffen ist, gibt es in den Schulen regelmäßige Tsunami-Übungen, und bei einer Tsunami-Warnung ertönen sogar Sirenen.

Japan, das als Insel besonders häufig Erd- und Seebeben ausgesetzt ist, soll das beste Tsunami-Warnsystem besitzen: in 6 Computerzentren werden die seismischen Daten von 180 Messstellen verarbeitet. In Zukunft soll mit Hilfe von Drucksensoren auf dem Meeresboden innerhalb von 3 Sekunden eine Tsunami-Warnung ausgegeben werden können, die in die Fernseh- und Radioprogramme eingeblendet und an zuständige Stellen weitergeleitet wird. Viele gefährdete Küstenbereiche sind mit Beton-Schutzanlagen und Dämmen versehen worden. In Tokio soll ein neues Tsunami-Zentrum eingerichtet werden. [Anne Schneppen, FAZ, 5.1.2005]


Auswirkungen auf Lebensräume

Es wird befürchtet, dass auch die empfindlichen Korallenriffe durch die starken Wellenbewegungen teilweise zerstört wurden. Außerdem dürften sie beim Rückfluten des Tsunamis mit Sand und Sedimenten überdeckt worden sein, ein Vorgang, der sie für Jahre beeinträchtigen wird [Daniel Lingenhöhl, spektrumdirekt, 31.12.2004].

Andererseits bieten gerade Korallenriffs, an denen sich die großen Wellen brechen, einen wirksamen Schutz gegen die Gewalt von Tsunamis. Vor Sri Lanka sollen zum Zeitpunkt der Katastrophe schon 50 % der Korallen als Baumaterial abgebaut gewesen sein.

Die Gewalt der Tsunamiwellen scheint auch die Fischbestände zu treffen, die ihre Kinderstuben ja ausschließlich in flachen Küsten- und Riffgebieten haben. In Sri Lanka stellten die Fischer, die noch ausfahren konnten, trotz ihrer geringen Zahl einen starken Rückgang des Fangertrages fest [The Guardian 'online', 15.1.2005].

Wo der Tsunami auf Küsten traf, zerstörte er auch die Vegetation, sogar die Palmen, die hier die wichtigste landwirtschaftliche Ressource darstellen, und die Mangroven. Diese üben sonst gerade gegenüber der Gewalt des Meeres eine Pufferfunktion aus - bei Zyklonen oder allgemein, indem sie die Strände stabilisieren. Außerdem sind sie wichtig als Kinderstube für die Meeresfische.

Der Tsunami hat nicht nur direkte Zerstörungen an der Vegetation angerichtet, möglicherweise bewirkte die Überflutung auch eine bleibende Versalzung der Böden. Oft sammelte sich das Seewasser im Hinterland in Senken und blieb tagelang stehen. Auf den Inselgruppen der Andamanen und Nikobaren waren wegen der schrumpfenden Landfläche Schutzpflanzungen mit Jatropha und Bambus angelegt worden, die ebenfalls salzempfindlich sind [The Hindu, 2.1.2005].

Obwohl die Region übersät war mit menschlichen Leichen, fand man in Sri Lanka keinerlei Kadaver wilder Tiere [SPIEGEL ONLINE, 29.12.2004]. Dies bezieht sich insbesondere auf den Ruhuna-Yala-Nationalpark im Süden Sri Lankas mit vielen Elefanten, die dank ihres Empfindens für niedrige Frequenzen der herannahenden Katastrophe auswichen. Auch Delfine und Wale dürften dank ihrer feinen Sinnesorgane in größere Wassertiefen ausgewichen sein [Daniel Lingenhöhl, spektrumdirekt, 31.12.2004].

Andererseits fiel die Flut in die Zeit der Eiablage seltener Schildkröten, sodass zumindest deren Gelege wahrscheinlich verloren sind.





Copyright © St. Th. Hahn, 6.1.2005, aktualisiert am 31.1.2005
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