Das globale Aufforstungspotential


Es ist gar nicht klar, ob die für eine Neutralisierung der Kohlendioxid-Freisetzungen erforderlichen Aufforstungen unter den gegenwärtigen Standortverhältnissen und den gerade eintretenden Klimabedingungen überhaupt möglich wären.
Zu dieser Frage gab es bereits Schätzungen des World Resources Institute von 2011 ("Potential Forest Cover").


Um ein genaues Modell des gegenwärtigen Wuchspotentials zu erhalten, wurden an der 'Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich' 78774 Satelliten-Fotos aus Naturschutzgebieten interpretiert [Bastin/ Finegold et al. 2019].

Außer den klimatischen, topografischen und edaphischen Standortvarianten der einzelnen Regionen kommt als zusätzlicher Faktor der Einfluss des Menschen, vor allem durch Brandlegungen, hinzu.

Ziel war eine "resulting openly accessible map" potentieller Wald- und Aufforstungsflächen.


Die Flächen dichten Waldes nach der Definition von Bastin/ Finegold et al. mit mehr als 50 % Kronendecke könnten unter den jetzigen Klimabedingungen potentiell 4,4 Mrd. ha einnehmen; tatsächlich waren davon nur 2,8 Mrd ha mit dichtkronigem Wald bedeckt [Bastin/ Finegold et al. 2019].

Auf Grund der zuvor erwähnten Flächen, die durch menschliche Nutzung und Degradation ausfallen (1,75 Mrd. ha), wäre es nur noch möglich, bis zu 0,9 Mrd. ha mit dichtem Wald aufzuforsten.


Da die IPCC-Empfehlung Waldflächen nach FAO-Definition vorsah, sei die erforderliche Leistung als CO2-Senke aber gewährleistet.

Selbst das Handelsblatt schrieb, die Forschungen an der ETH Zürich hätten erstmals gezeigt, "dass das vom Weltklimarat (IPCC) vorgegebene Ziel einer Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad erreichbar sei" [Handelsblatt, am 5.7.2019].


Bei Umsetzung der vorgeschlagenen Aufforstungen von 900 Mio. ha könnten diese Waldflächen in Zukunft vielleicht 200 Gt C speichern gegenüber den bis jetzt insgesamt freigesetzten 300 Gt C.

Das größte Potential dazu besitzen die Länder




Walddegradation als Hemmnis


Signifikante Waldverluste hatten in den letzten Jahrzehnten nur Lateinamerika und Afrika zu verzeichnen, während die Waldflächen auf den übrigen Kontinenten konstant blieben.

In einem weiteren Artikel in dieser Science-Ausgabe wird allerdings die Befürchtung geschürt, dass wohl kein Land die notwendigen Aufforstungen wirklich durchführen wird. Auf jeden Fall werden sehr rasch Politiker an die Öffentlichkeit treten, die sich lautstark gegen jedwede ähnliche Maßnahme wenden werden.


Es besteht das akute Risiko, dass die schon jetzt einsetzenden Klimaveränderungen in absehbarer Zeit gar keine Aufforstungen mehr zulassen werden.

Daher muss dieses letzte Instrument der Aufforstung sofort eingesetzt werden.

Die unten abgelichtete Situation deutet die ökologischen und gesellschaftlichen Probleme an, die auch in Deutschland mit einer erfolgreichen Aufforstung verbunden sind.



Nach dem Dürrejahr

Nach dem Dürrejahr.
Kesselberg bei Oberbreisig, am 10. April 2019. © STH.


Entgegen den allzu optimistischen Prognosen einer starken Zunahme des Pflanzenwachstums unter veränderten atmosphärischen Bedingungen würde die Klimaerwärmung gerade in den Inneren Tropen zu einem starken Rückgang des Waldes führen, ebenso in den zonalen und orographischen borealen Regionen.

Eine Zunahme des Wachstums und der Wälder wäre in den jetzigen semiariden und subpolaren Regionen zu erwarten, aber bei einer sehr viel geringeren Wuchsintensität und Kronendichte als sie in den Tropenwäldern existieren; hier sind anscheinend gerade die äquatornahen Gebiete am stärksten von der Vernichtung bedroht.

In den Tropen wird ein Rückgang der dichtkronigen Waldflächen um 450 Mio. ha bis 2050 prognostiziert gegenüber einer Zunahme dichtkroniger Wälder in den höheren Breiten von nur 225 Mio. ha.

[Bastin/ Finegold et al. 2019]


Ein Problem stellen in den Tropen Flächen dar, die von der extensiven und anachronistischen Viehwirtschaft beansprucht werden.


In Russland und Kanada stehen zwar große Flächen zur Verfügung infolge der (natürlichen) Waldbrände in den borealen Sommern. Diese Flächen könnten aber nach einer Aufforstung rasch erneut abbrennen, besonders bei zunehmender Trockenheit.
Außerdem erleben diese borealen Wälder gerade einen Boom des Holzeinschlags.




Quellenangaben


Jean-François Bastin/ Yelena Finegold et al.: The global tree restauration potential (in: Science vol.365, no.6448 [2019-07-05], p.76)

Anonym: Das ist die wirksamste Waffe gegen den Klimawandel. Handelsblatt online, am 5.7.2019.