Die Klima- und Vegetationsabfolge der nacheiszeitlichen Epochen konnte oft nur sehr grob eingeschätzt werden, wie die unten wiedergegebene Datierung der Späten Eiszeit und der Nacheiszeit in Mitteleuropa von Fred-Günter Schroeder andeutet [Tabelle S.394 in: Schroeder 1998]:


PLEISTOZÄN

# Hochglazial/ Pleniglazial (bis 15000 J.v.h.): Das 'Brandenburger Stadium', der Höchststand der Vereisung, reichte 20000 J.v.h. bis südlich von Berlin.

# Spätglazial (15 - 10000 J.v.h.): Das 'Pommersche Stadium' der Vereisung zog sich um 15000 J.v.h. nach Norddeutschland zurück, heute noch an den hier hinterlassenen Endmoränen erkennbar. In den folgenden Jahrhunderten verschwand das Eis ziemlich rasch aus Dänemark, Südschweden, Karelien, den Alpen und den Britischen Inseln.


HOLOZÄN = Postglazial

# Vorwärmezeit (= Präboreal), Kiefer-Hasel-Zeit (10 - 9000 J.v.h.)

# Wärmezeit (in drei Stadien), Zeit des Laubmischwaldes (9000 - 2500 J.v.h.)
* Frühe Wärmezeit (= Boreal), Hasel-Zeit (9000 - 7500 J.v.h.): Schon im Boreal war das Klima um etwa 1° C wärmer als das gegenwärtige Normalklima [Frey/ Lösch 1998].
* Mittlere Wärmezeit (= Atlantikum), Mischwald-Zeit (7500 - 4500 J.v.h.): Im Atlantikum stiegen die Temperaturen deutlich über die heutigen.
* Späte Wärmezeit (= Subboreal), teilweise Erlen-Zeit (4500 - 2500 J.v.h.): Das wechselhafte Klima des Subboreals beherrschte die gesamte mitteleuropäische Bronzezeit, während das aktuelle Klima der Nachwärmezeit in der mitteleuropäischen Eisenzeit beginnt.

# Nachwärmezeit (= Subatlantikum), Buchen-Zeit (500 v.Chr. bis heute)



Diese Datierung unterscheidet sich beträchtlich von aktuelleren wie der von Frank Sirocko (unten), die die einzelnen Klima- und Vegetations-Epochen teilweise um 2000 Jahre in die Vergangenheit verschieben.

Die Handhabung der Datierung der Klima- und Vegetationsgeschichte ist überhaupt sehr unerfreulich. Dass praktisch jede Untersuchung zu diesem Thema eine andere Datierung heranzieht, liegt offenbar nicht daran, dass man die vergangenen Klimate und Vegetationstypen nicht datieren kann, sondern daran, dass diese Information nicht vorliegt.

Auf einige Jahrzehnte kommt es dabei nicht an. Bei der näheren nacheiszeitlichen Umweltgeschichte machen aber die unübersehbaren Abweichungen von Hunderten und Tausenden von Jahren für denselben Untersuchungsraum den ganzen Fachbereich unglaubwürdig.




Wenigstens der "Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland" [Anhuf et al. 2003] hat sich mit dieser Problematik auseinandergesetzt. Die Datenabweichung beruht vor allem auf der Fehlerhaftigkeit der Radiokarbonanalyse auf Grund der Schwankungen des atmosphärischen CO2.

Die ersten Pollennachweise (und anderes organisches Material) unter konservierenden Bedingungen wurden eher zufällig aufgefunden.
Solche Fundhorizonte mussten erst mit datierbaren Elementen wie etwa den Bändertonen glazialen Schmelzwassers in Beziehung gesetzt werden. Dann versuchte man eine Jahresdaten-Kalibrierung durch Berechnung des radioaktiven Zerfalls von 14C (Halbwertszeit 5730 J.). 14C stammt aus der Stratosphäre und wird durch die pflanzliche CO2-Atmung in organischen Stoffen angereichert.

Diese Radiokarbondatierung ist aber nicht linear und konnte erst durch vollständige Jahrringchronologien geeicht werden. Für Mitteleuropa konnte "eine mehr als 10000 Jahre umfassende Eichenchronologie" erstellt werden. [Anhuf et al. 2003]

Die systematische Kalibrierung von Pollenfunden durch Auszählung von Warven (Sedimentfolgen) und Jahrringen von Bäumen ist im aktuellen geologischen Geschehen zuverlässiger als die Radiokarbondatierung, die zu Unrecht als exakte Datierungsmethode galt.
Zu denken gibt dabei, dass die Radiokarbondatierung umso ungenauer wird, je älter das Untersuchungsobjekt ist.


Im "Nationalatlas" wird dem obigen traditionellen Schema [Schroeder 1998] dankenswerter Weise die geeichte Chronologie gegenübergestellt [Anhuf et al. 2003]:


In Jahren vor heute (v.h.), d.h. vor 1950 n.Chr..

14 C-Daten     Kalenderdaten
SPÄTGLAZIAL
Älteste Tundrenzeit (Dryas)15000 - 1300018000 - 15700
Bölling-Interstadial13000 - 1200015600 - 13900
Alleröd-Interstadial12000 - 1100013900 - 13000
Jüngere Tundrenzeit (Dryas)11000 - 1000013000 - 11560
 
HOLOZÄN
Präboreal10000 - 900011560 - 10250
Boreal9000 - 800010250 - 9000
Atlantikum8000 - 50009000 - 5800
Subboreal5000 - 25005800 - 2700
Subatlantikum2500 - 02700 - 0





Masterchronologie für die Eifel

[aufgrund von Pollenanalysen der Eifelmaare (Sirocko 2009, Kap.3)]


Das von Frank Sirocko herausgegebene Buch "Wetter, Klima, Menschheitsentwicklung - Von der Eiszeit bis ins 21. Jahrhundert" (Darmstadt, 2009) zu den Ergebnissen aktueller Pollenanalysen aus Maarsedimenten der Eifel lässt als Informationsquelle zur europäischen Vorgeschichte praktisch keine Wünsche offen.

Es könnte technische Bedeutung gewinnen wegen der bei einzelnen Bohrkernen vollständigen Pollen-Chronologie.
Vielleicht kann man seine Datierung als Masterchronologie akzeptieren.


Angegeben ist hier nur jeweils der Beginn der Epoche; BP = J.v.h., wobei als heute auch hier das Jahr 1950 gilt / BC = J.v.Chr..

SPÄTGLAZIAL
14450 BP Meiendorf (Tundra mit Pioniergehölzen)
13800 BP Älteste Dryas (baumlose Tundra)
13670 BP Bölling (Ausbreitung der Birke)
13540 BP Ältere Dryas (Abkühlung)
13350 BP Alleröd (Ausbreitung der Kiefer)
12880 BP Ausbruch des Laacher See - Vulkans
12700 BP Jüngere Dryas (Abkühlung)
 
HOLOZÄN
11600 BP / 9650 BC Präboreal (Birken-Kiefern-Wälder)
11000 BP Ausbruch des Ulmener Maar - Vulkans
10800 BP / 8850 BC Boreal (Ausbreitung der Hasel, dann Laubbaum-Arten)
8850 BP / 6900 BC Atlantikum (Eichenmischwald)
8200 BP (8,2 ka - Event) Unterbrechung des Golfstroms
6200 BP / 4250 BC Subboreal (Ausbr. d. Erle bei Rückgang von Ulme u. Linde)
3800 BP / 1850 BC Beginn der Buchenzeit
2800 BP / 850 BC Subatlantikum (Ausbr. d. Hainbuche, Rodungen u. Ausbr. d. Süßgräser)


Das interessanteste an dem Buch ist, dass die Interpretationen der Maarsee-Bohrkerne einen Schwerpunkt auf die relativ lokale klima- und erdgeschichtliche wie historische Entwicklung von Mittelrhein und Eifel legen, wobei der Abgleich mit den globalen Daten (Grönland-Eiskerne u.a.) aber nicht vernachlässigt wird.

Das Buch ist allgemeinverständlich geschrieben unter Bezugnahme auf klimawissenschaftliches und archäologisches Quellenmaterial und ist mit einer Unmenge an Bildmaterial ausgestattet. So wird der vollständigste Bohrkern der Westeifel-Maare (D3 im Dehner Trockenmaar) abgebildet, kombiniert mit den kalibrierten Grönland-Eiszeiten und -Interstadialen (GI). Beigefügt sind Verbreitungskarten zu einzelnen Steinzeitkulturen, in welchen die sich verändernden Eisschilde, Küsten und Seeufer unter Glazialbedingungen abgebildet sind.




Aktuelle Klima- und Vegetationschronologie der Wikipedia (2022)


Leider weicht diese aktualisierte Pollenchronologie der Eifelmaare von der Klima- und Vegetationschronologie der Wikipedia ab, nun allerdings am stärksten in der näheren Vergangenheit, besonders beim Subboreal. Als Erklärungsversuch muss man allerdings akzeptieren, dass Pollenanalysen lokale biologische Prozesse wiederspiegeln, die geoökologischen Abweichungen unterliegen. Beispielsweise begann in Norddeutschland die Rückwanderung der Waldbäume um einige Jahrhunderte später, damit verschieben sich auch die Pollennachweise.

Daher liegt der Fehler nicht im lokalen Befund, sondern mit viel größerer Wahrscheinlichkeit in der überregionalen Klassifizierung.


Offenbar beruft man sich im deutschen Internet und in der deutschen Wikipedia auf die Chronologie des niedersächsichen Landesamtes für Bergbau ( online ).

Dort werden die postglazialen Klima- und Vegetationsstufen folgendermaßen datiert:


Dieses chronologische Schema übernimmt auch die deutsche Wikipedia in ihren Artikeln über die einzelnen Klima- und Vegetationsstufen der 'Blytt-Sernander-Klassifikation' (= Präboreal, Boreal, Atlantikum, Subboreal, Subatlantikum).


Die Datierung 'v.Chr.' ist eine große Hilfe, da sie sich auf einen festen Zeitpunkt bezieht.
Eine Datierung 'BP' oder 'J.v.h.' suggeriert zwar absolute Zahlen, mit 'present' oder 'heute' aber auch einen Zeitpunkt, der unaufhörlich voranschreitet. Daher wurde hier als fester Bezugspunkt zumeist das Jahr 1950 gesetzt (auch in der Chronologie des Nieders. Landesamtes), neuerdings auch das Jahr 2000, was dann als 'b2k' bezeichnet wird.


Eine neue Dreiteilung des Holozän nach der 'International Commission on Stratigraphy (ICS)' beruft sich auf zwei außergewöhnliche Klimaeinschnitte, den '8,2 ka -' und den '4,2 ka - event':




Quellenangaben


Fred-Günter Schroeder: Lehrbuch der Pflanzengeographie. Wiesbaden, 1998.
- Abschnitt "Die Wiederbewaldung nach der letzten Eiszeit" S. 394

Wolfgang Frey/ Rainer Lösch: Lehrbuch der Geobotanik - Pflanze und Vegetation in Raum und Zeit. Stuttgart/ Jena/ Lübeck/ Ulm, 1998.
- Teil 5 - Floren- und Vegetationsgeschichte (Historisch-genetische Geobotanik)

Dieter Anhuf, Achim Bräuning, Burkhard Frenzel und Max Stumböck: Die Vegetationsentwicklung seit dem Höhepunkt der letzten Eiszeit (2003) [in: Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland, 1999 ff (online) - Bd.3: Klima, Pflanzen- und Tierwelt, S.88 - 91.]

Frank Sirocko (Hg.): Wetter, Klima, Menschheitsentwicklung - Von der Eiszeit bis ins 21. Jahrhundert. Darmstadt, 2009.
- Kap. 3: Pollenanalyse als Grundlage der Rekonstruktion von Umwelt- und Vegetationsgeschichte

Webseite des niedersächsichen Landesamtes für Bergbau:  "Stratigraphie von Niedersachsen"