Energiestoffwechsel und Erdgeschichte


Die frühesten Lebensformen breiteten sich aus, indem sie die Energiegewinnung aus verschiedenen chemischen Prozessen durchprobierten.

In der Frühzeit der Erde hat der Prozess der Eisenocker-Bildung über Millionen von Jahren zur Entstehung der Eisenerzvorkommen geführt. Eisenbakterien nutzen die bei der Überführung von zweiwertigem (FeO) in dreiwertiges Eisenoxid (Fe2O3) freiwerdende Energie, verbrauchen dabei aber den freien Sauerstoff der Gewässer. [Reichholf 1994, Teil I, Kap. 1]
Diese chemische Autotrophie erzielt einen nur vergleichsweise geringen Energiegewinn von 135,6 KJ pro verbrauchten 2 Mol an zweiwertigem Eisen.

Bei der bakteriellen Vergärung organisch entstandener Verbindungen werden bereits 198 KJ aus 1 Mol Glukose gewonnen.

Den photo-autotrophen pflanzlichen Organismen, die Energie aus dem Sonnenlicht beziehen, verdanken die Fauna und der Mensch nicht nur ihre Nahrung, sondern auch die Luft zum Atmen. Eine gewaltige Produktivität bei der Anreicherung der Atmosphäre mit Sauerstoff entfalteten dabei die primitivsten Autotrophen, nämlich die prokaryotischen Cyanobakterien, wenngleich erst über Geoepochen von mehr als 2 Mrd. Jahren.


Die Endosymbionten-Theorie beinhaltet, dass der Fresstrieb heterotropher Bakterien zur Integration photo-autotropher Cyanobakterien in ihren Zellkörper und daraus folgend zur Evolution der Pflanzen führte. Das Bild von der Fress-Heterotrophie als ursprünglichster Kraft ist aber nicht ganz korrekt, denn die ersten Organismen waren ja chemoautotroph. Heterotrophie war nur dank der von ihnen gebildeten Biomasse möglich.

Die Heterotrophen waren räumlich eng an die Produzenten der Biomasse gebunden.
Umgekehrt konnten die Autotrophen von den Heterotrophen profitieren, wenn deren Stoffwechsel sie von dem Abfallprodukt ihres eigenen Stoffwechsels befreiten, dem ursprünglich bioziden Sauerstoff. Allerdings veratmen die Höheren Pflanzen nachts selber Sauerstoff.

Aus der Gemeinschaft auto- und heterotropher primitiver Organismen kann auch eine Endosymbiose heterotropher Bakterien hergeleitet werden, aus der sich weitere Organellen des Zellkörpers entwickelt haben sollen.

Es scheinen keine höheren mikrobiellen Entwicklungsstufen der Autotrophie bekannt zu sein, die zu dieser Endosymbiose fähig gewesen wären, nur heterotrophe Mikroorganismen.


Mit Einsetzen des Grundprozesses der autotrophen Energiegewinnung aus Sonnenlicht fanden zunächst nur enorme geologische Stoffumwandlungen durch chemische Reaktionen mit dem freigesetzten Sauerstoff statt. Doch waren bei dieser Oxidation der Erdoberfläche ebensogroße Mengen Kohlendioxid notwendig wie Sauerstoff produziert wurde - und an Kohlendioxid herrschte in der Atmosphäre Mangel! [Reichholf 1994, Teil I, Kap. 2]

In den Ozeanen ist die Hauptquelle des CO2 für den photoautotrophen Assimilationsprozess Bicarbonat (Calciumhydrogencarbonat) gewesen, eine Verbindung mit Kohlensäure, die Kalk in Lösung hält [Reichholf 1994, Teil I, Kap. 2]. Daraus erklärt sich die Entstehung so vieler Organismen mit kalkbasierten Außen- oder Innenskeletten.
Die ersten Kalkgebirge sind wahrscheinlich schon bei der Ausfällung des Calciums durch die früheste Photosynthese der Cyanobakterien entstanden. Nach einem ähnlichen Prinzip nutzen auch die Symbionten der Korallenriffs das Bicarbonat der Ozeane.



Photoautotrophie


Die energiereiche, aber ungefilterte Sonnenstrahlung der Uratmosphäre kann zum Aufbau organischer Stoffe geführt haben, diese aber ebenso leicht wieder zerstört haben.

Eine Stabilisierung solcher Prozesse wurde mit der Entstehung von Pigmenten erreicht, die einen Teil der Strahlung zurückstrahlen, einen anderen Teil aber absorbieren und dadurch in einen angeregten Zustand versetzt werden. [Reichholf 1994, Teil I, Kap. 2]

Das Pigment Chlorophyll erzielt damit einen enormen Energiegewinn von 2872 KJ für die Assimilation von Kohlendioxid zu Glukose:
6 CO2 + 6 H2O -> C6H12O6 + 6 O2


Die echte Zelle von Eukaryoten enthält bei einem Teil der Organismen Plastiden mit Farbstoffen zur Energiegewinnung. Wenn es sich um den grünen Farbstoff Chlorophyll handelt, werden die Organellen Chloroplasten genannt.

Da die Plastiden und Mitochondrien der eukaryotischen Zellen besondere, durch Membranen abgetrennte Strukturen mit eigener und sich reproduzierender DNA darstellen, nimmt man an, dass sie ursprünglich eigenständige Organismen waren. Chloroplasten sind nahezu baugleich mit den Cyanobakterien als ursprünglichsten Trägern der Photosynthese.


Das wichtigste Chloroplasten-Pigment ist Chlorophyll a. Einige Algen besitzen zusätzliche Pigmente, während ihnen Chlorophyll b fehlt. [Strugger/ Härtel 1970]
Chloroplasten können zumeist nur rotes und blaues Licht verwerten, die erwähnten Algen scheinen auch das grüne Spektrum nutzen zu können.


Mit Hilfe des Lichts wird eine energiereiche Phophorsäure gebildet, die die Reaktion des Pentose-Zuckers Ribulose mit CO2 ermöglicht.
In der “Hill-Reaktion” wird aus Wasser unter Abgabe von Sauerstoff Wasserstoff gewonnen, der in einer Dunkelreaktion die Kohlenstoff-Ribulose-Verbindung in mehreren Stufen einerseits zu Glukose und andererseits zu neuer Ribulose reduziert.
Die Glukose wird schon in den Chloroplasten in Stärke umgewandelt.
[Strugger/ Härtel 1970]


Dieser Grundprozess des Lebens, die Photosynthese, der in der Urzeit ausschließlich durch zellkernlose Cyanobakterien (Blaualgen) vollzogen wurde, setzt "Sauerstoff als Abfallprodukt" frei. Freier Sauerstoff ist "sehr reaktiv" und wirkt dadurch biozid gerade auf einfachste organismische Strukturen. [Reichholf 1994, Teil I, Kap. 2]
Die Nutzung des Sauerstoffs durch die Atmung nicht-autotropher Organismen auf dem Land (Tiere) konnte sich daher erst nach langer Evolution entwickeln.

Die Landpflanzen hingegen wurden, vergleichbar mit den Korallen, stationäre 'Filtrierer', die aus der Luft mit ihren Blättern Kohlendioxid und aus dem Erdboden mit ihren Wurzeln Wasser und Nährstoffe ausfiltern.
Wahrscheinlich herrschte in den urzeitlichen Lebenswelten des Meeres ein statisches Gleichgewicht zwischen der mikrobiellen Primärproduktion und ihrem Verbrauch in der Nahrungskette durch Stoffwechsel und Atmung. Der Riesenwuchs der Landpflanzen verschob dieses Gleichgewicht zur Primärproduktion.
[Reichholf 1994, Teil I, Kap. 4]




Stoffwechsel und stoffliche Überschüsse


Von Josef H. Reichholf wurden interessante Zusammenhänge hergestellt zwischen dem Nahrungsangebot und dem sich aus stofflichen Überschüssen ergebenden evolutionären Gestalt- und Funktionswandel [Reichholf 1994].

Ein negativer Aspekt dieser Betrachungsweise wäre aber, dass der Blick allzu einseitig auf die Nahrungsketten als Ökosystem gerichtet wird und so letztendlich wieder der Stoffwechsel des individuellen Organismus zum eigentlichen Ökosystem und Motor der Evolution erklärt würde.


Auf jeden Fall ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Manifestationen der Morphologie auch heterotropher Organismen die Produkte eines evolutionär eingespielten internen Stoffwechsels mit den übergeordneten Stoffflüssen ihres Ökosystems sind.
Die willkürliche oder katastrophische Veränderung des Ökosystems muss daher Auswirkungen auf diese Organismen haben: ein Beispiel waren die infolge des massenhaften DDT-Einsatzes brüchig gewordenen Eierschalen der Raubvögel am Ende der Nahrungskette.


Prädatorische Nahrungsketten sind fast ebenso unerfreulich wie purer Parasitismus; dabei gibt es Formen des Energiestoffwechsels, die zu weit positiveren Ergebnissen führen:

Pflanzen können durch die Photosynthese nicht nur bedeutende Überschüsse an Kohlehydraten gewinnen, sie sind auch in der Lage, diese in Eiweißverbindungen zu überführen. Auch nach Aufbau der für ihre Lebensprozesse notwendigen energiereichen Phosphorverbindungen und Eiweißstoffe bleiben dem pflanzlichen Organismus noch Überschüsse, die in Sauerstoff, Speicherstärke und Zuckersäfte umgewandelt werden, oder auch in Zellulose als Stützstoff ihres Gewebes - lauter nützliche Grundstoffe für die konsumierende heterotrophe Lebenswelt.

Innenparasiten gelangen dagegen direkt in ihre Nahrung, insbesondere Aminosäuren und Eiweiß, und können dann ihre gesamte Energie in die Fortpflanzung stecken [Reichholf 1994, Teil II, Kap. 3].



Eiweiß als Ernährungsgrundlage


Allgemein gilt der Grundsatz, dass die höher entwickelten heterotrophen Konsumenten Eiweißverbindungen zu ihrer Ernährung brauchen.
Eine noch stichhaltigere Theorie ist, dass sie die komplexen Kohlenhydrate der pflanzlichen Zellulose einfach nicht aufschließen können.
Damit wäre die weite Verbreitung insektivorer und carnivorer Nahrungsketten gerade auch bei Nicht-Säugetieren zu erklären.


Die Nährstoffzusammensetzung (Kohlenstoff zu Stickstoff) von Tieren und Pflanzen unterscheidet sich durch ihr C : N - Verhältnis von 10 : 1 bzw. 40 : 1 , wobei der Stickstoffanteil (N) für Eiweißverbindungen steht. Tiere enthalten keine einfachen Kohlenhydrate und komplexen Fasern, aber reichlich Fette. [Begon/ Harper/ Townsend 1991]



J. Reichholf versuchte herauszuarbeiten, dass wichtige Evolutionsschritte direkt mit der Verfügbarkeit von eiweißhaltiger Nahrung in Verbindung stehen.

Die Schwerkraft an Land kann Meereslebewesen wie selbst Wale unter ihrem eigenen Gewicht erdrücken. Gegen diese Schwerkraft konnten sich aber gewisse tierische Organismen dank einer Außenhülle durchsetzen. Die letztere besteht aus einem aus Eiweiß aufgebauten Verbundstoff, dem Chitin, der nach Reichholf nur durch heterotrophische Nahrungsaufnahme von mikrobiellen, pflanzlichem oder tierischem Eiweiß aufgebaut werden kann. [Reichholf 1994, Teil I, Kap. 5]

Die ersten Besiedler des Landes waren daher auf mikrobielles Eiweiß angewiesen, das bei der Zersetzung der Landpflanzen entstand.

Aus segmentierten, wurmartigen Meeresbewohnern entwickelten sich die Gliedertiere (Articulata) und an Land die dreisegmentigen, sechsbeinigen Insekten mit zusätzlichen Flügel-Anhängen und die zweisegmentigen, achtbeinigen Spinnentiere [Reichholf 1994, Teil I, Kap. 5].

Die äußere Chitinhülle mit anliegendem Muskelschlauch verhindert allerdings das Größenwachstum, besonders bei Einwirkung von Luft; im Wasser bleibt die Chitinhülle länger geschmeidig und ermöglich dadurch ein längeres Wachstum und die größeren Lebensformen der Krebse.
Die Chitinhülle der Insekten bildet auch eine Falle für die Verdauungsflüssigkeit von Spinnen als Prädatoren. Diese ernähren sich fast ausschließlich von Insekteneiweiß und verbrauchen einen großen Teil dieses Eiweißes für ihre Spinnseide.

Selbst die Larven der noch existierenden Zuckmücken, die im Gewässer-Detritus leben, verwerten angeblich "in erster Linie Bakterieneiweiß" [Reichholf 1994, Teil I, Kap. 5]. Es gibt inzwischen aber viele Insektenlarven, die sich auch von eiweißarmem Pflanzengewebe ernähren können!

Die eiweißreichen ersten Insekten, die sich noch schwerfällig bewegten und "noch frei von Gift- und Abwehrstoffen" waren, konnten ihrerseits die Nahrungsgrundlage für die frühesten landbewohnenden Wirbeltiere werden.


Auch Schadinsekten wie Holzbohrer können komplexe pflanzliche Kohlenhydrate wie Zellulose nicht aufspalten oder verdauen, und sind zu diesem Zweck (ebenso wie die Kuh und der Mensch) auf die Symbiose mit Darmbakterien angewiesen. Schon die urtümlichen Termiten sind mit solchen Darmsymbionten ausgestattet.

Späte Insekten-Entwicklungen stellen die Saftsauger dar, die aber hauptsächlich die im Pflanzensaft enthaltenen Aminosäuren verwerten sollen, und die staatenbildenden Hautflügler, die ihre Larven in der Wachstumsphase mit eiweißreicher Pollennahrung, nicht mit den Kohlenhydraten des Honigs füttern. [Reichholf 1994, Teil I, Kap. 5]



Diese Beispiele der Notwendigkeit einer Eiweißernährung sind wenig hilfreich, wenn sie die evolutionäre Entstehung vegetarischer Lebensformen übergehen.

Zu diesen gehören vor allem auch die frugivoren Affen, wenn sie sich auch aus Insektenfressern entwickelt haben. Diese evolutionäre Fortentwicklung muss zweifellos durch Coevolution erklärt werden, durch die Entstehung von Kohlenhydrat- und Eiweiß-reichen Fruchtorganen bei den Pflanzen, die eine Fruchtverbreitung durch Tiere erleichtern.
Manche blattfressende Primaten haben aber auch Wiederkäuer-ähnliche Verdauungsorgane entwickelt: die afrikanischen Stummelaffen (Colobus) besitzen ähnlich wie Kühe Mägen mit zwei Gärkammern.


Eine große Bedeutung erlangten die Herbivoren der Grasländer, welche sich infolge der Abkühlung des Quartärs ausbreiteten.
Von noch größerer evolutionsgeschichtlicher und ökologischer Bedeutung wurde aber, dass sich der Mensch als fortentwickelte Affen-Art nicht nur zum Prädatoren, sondern auch zum Parasiten einiger dieser Grasfresser gemacht hat, indem er ihnen die Milch raubt. Insbesondere die Rinder wurden von ihm so stark gefördert, dass ihre domestizierte Form zu einem globalen Faktor der Umweltzerstörung wurde.


Laut Reichhiolf stehen die Horn- und Knochenbildungen von Pflanzenfressern mit dem Eiweißgehalt des Nahrungsangebotes in der Umwelt in Zusammenhang: Eiweiß fördere die Hornbildung, der Mineralgehalt die Knochenbildung [Reichholf 1994, Teil I, Kap. 7].
Demnach wären die Bergweiden, Tundren und nördlichen Wälder der Steinböcke, Bergschafe, Rentiere und Hirsche also eiweiß- und mineralstoffreicher als die Sumpfländer und Tropenwälder anderer Geweihträger.

Die Knochen der Innenskelette (und des Inneren von Rinderhörnern) bestehen aus Calciumphosphat, das von einem Eiweißgewebe, dem Collagen durchzogen ist. Knochen sind deshalb ein lebendes und regenerierbares Gewebe, während die Außenskelette der Weichtiere eine ausgesonderte, tote Substanz darstellen, die bei Bruch ersetzt werden muss. [Reichholf 1994, Teil II, Kap. 3]

Die ausgeprägten Hornbildungen ausgestorbener und überlebender Reptilienarten sollen darauf zurückzuführen sein, dass von ihnen "nur sehr wenig Eiweiß für Bewegungsaktivität verbraucht" wurde und wird [Reichholf 1994, Teil I, Kap. 7].


Nach dieser Theorie müssten die hornbildenden Gewebe also einen Eiweißüberschuss zur Voraussetzung haben. Schildkröten und horntragende Huftiere leben aber vegetarisch!

Während bei den Schildkröten Überschüsse durch einen stark reduzierten Reptilienstoffwechsel entstehen, sind sie bei den Hornträgern auf das Mikrobeneiweiß der Symbionten in ihren Wiederkäuermägen zurückzuführen.

Aber auch die Federn und Haare der Vögel und Säugetiere haben nach Reichholf ihren Ursprung in der Absonderung überschüssiger Aminosäuren. [Reichholf 1994, Teil II, Kap. 3]
Warum hat dann der moderne Mensch, der so vehement auf seiner Fleisch-Diät besteht, im Vergleich zu den vegetarischen Primaten so wenig Haare? Womöglich können Primaten Fleisch gar nicht richtig verwerten!
Eine direkte Beziehung zwischen Nahrung und Morphologie besteht jedenfalls nicht, die Morphologie ist durch lange Evolutionsprozesse bedingt.

Die Primaten gelten unter den Säugetieren gerade wegen ihrer Ernährungsweise als relativ ursprüngliche Gruppe, während die Huftiere als am weitesten entwickelt gelten, weil sie sich an ein pflanzliches Nahrungsangebot angepasst haben.

Die an Land gehenden Fische und Lurche waren sicher omnivor und an Kleinorganismen und organische Reste als Nahrung angepasst. Die Reptilien entwickelten aber bereits die Herbivorie und Carnivorie. Sie beherrschten die Vorzeit-Landschaft so vollständig, dass sich die frühen Säugetiere oft mit einer nächtlichen Lebensweise und Insekten begnügen mussten. Aus diesen Insektenfressern sollen die Primaten hervorgegangen sein.




Verdauung der Herbivoren


Der Stoffwechsel der Heterotrophen findet als enzymatischer Aufschluss von Proteinen im stark sauren Milieu des Magens (bei Wiederkäuern ist das der Labmagen) und von Fetten im alkalischen Milieu des Zwölffingerdarmes, dem ersten Abschnitt des Dünndarms, statt. Die Resorption der daraus gewonnenen einfachen Stoffe erfolgt im restlichen Dünndarm. [Gamlin/ Vines 1986, Abschn. “Stoffwechsel”]

Nicht zugängliche Aminosäuren müssen von Säugetieren, insbesondere den Fleischfressern, zu giftigem Harnstoff abgebaut werden.


Nach der These Reichholfs dürften Herbivoren wie das Rind oder Frugivoren wie die Affen gar nicht existieren. Solche Pflanzenfresser besitzen aber auf ihre Nahrung spezialisierte Darmsymbionten.
Herbivoren erlangen insbesondere durch Aufschluss der pflanzlichen Zellwände durch den Zelluloseabbau dieser Darmsymbionten einen zusätzlichen Energiegewinn.


Obwohl sie oft in denselben Grasbiomen leben, haben die nichtwiederkäuenden Pferde und die Wiederkäuer (Rinder, Ziegenartige und Antilopen, Hirschartige und Giraffen) unterschiedliche Verdauungssysteme entwickelt.
Zebras fressen die Zellulose-reicheren oberen Teile der Gräser, während Gnus die unteren Blätter fressen. [Gamlin/ Vines 1986, Abschn. “Stoffwechsel”]
Doch sind alle beide Tiergruppen von zelluloseabbauenden Symbionten in ihrem Verdauungstrakt abhängig.


Der Verdauungsprozess von Nicht-Wiederkäuern verläuft teilweise fast doppelt so schnell wie bei Wiederkäuern, die dafür allerdings mehr Energie aus ihrer Nahrung ziehen. Nicht-Wiederkäuer können größere Mengen verdauen, also von minderwertigem Futter größere Mengen aufnehmen. Wiederkäuer bevorzugen nährstoffreicheres Futter. [Gamlin/ Vines 1986, Abschn. “Stoffwechsel”]


Bei Nicht-Wiederkäuern ist erst der Blinddarm die Gärkammer [Purves et al. 2006, S.1214].

Beim Pferd finden sich die zelluloseabbauenden Symbionten erst im Blinddarm und Dickdarm. Dort stehen den Symbionten viele im Darm abgebaute Nährstoffe nicht mehr zur Verfügung. Auch werden die Symbionten nicht mitverdaut.
Pferde wandeln die nicht verwendbaren Aminosäuren in der Leber zu Harnstoff um, der durch die Nieren abgeschieden werden muss.
Im Magen zu einfachen Zuckern aufgeschlossene Kohlenhydrate werden bei ihnen im Dünndarm direkt resorbiert, so dass es zu einem Anstieg ihres Blutzuckers kommt.
[Gamlin/ Vines 1986, Abschn. “Stoffwechsel”]



Obgleich die Wiederkäuer-Mägen Pflanzennahrung hocheffizient aufschließen, indem sie die Symbionten teilweise mitverdauen, ist dieser Prozess wegen des langwierigen Wiederkäuens und der vier zu durchlaufenden Magenkammern nicht nur langwierig, sondern auch mengenbegrenzt [Gamlin/ Vines 1986, Abschn. “Stoffwechsel”].

Die Fähigkeit des Wiederkäuens brachte aber den evolutionsgeschichtlichen Vorteil, Nahrung rasch im "deckungsarmen, gefährlichen Gelände" aufnehmen zu können und dann in größerer Sicherheit zu verdauen [Heinemann in: Grzimek 1979].
Allerdings erhöhrt der riesige Pansen zumindest bei Rindern das Gewicht erheblich.


Der Aufschluss der Zellulose der pflanzlichen Zellwände erfolgt hauptsächlich im neutralen Milieu der ersten Magenkammer, im Pansen [Gamlin/ Vines 1986, Abschn. “Stoffwechsel”].
Der Pansen dient als Gärkammer, ein mit dessen Bakterienkulturen durchmischter Nahrungsbrei gelangt in den kleinen Netzmagen und von dort durch Aufstoßen in den fortlaufenden Prozess des Wiederkäuens [Heinemann in: Grzimek 1979].
Der Nahrungsbrei wird erst bei vollständiger Verdauung und Zerkleinerung vom Netzmagen in den Blättermagen durchgelassen.

Eine wichtige Funktion beim Wiederkäuen hat der in großen Mengen (angeblich 200 l am Tag) produzierte Speichel der Kuh, da er stark alkalisch ist und dadurch die durch die Bakteriengärung im Pansen erzeugte Säure neutralisiert. Damit diese Funktion aufrechterhalten wird, ist Raufutter auch für Kühe lebensnotwendig. [Bauernhof.net]

Die anaeroben endosymbiontischen Bakterien und Flagellaten in Pansen und Netzmagen erzeugen "einfache Fettsäuren" und werden selbst zur Proteinquelle (beim Rind etwa < 100 g/d Protein) [Purves et al. 2006, S.1214].

Im Blättermagen wird dann dem Nahrungsbrei das Wasser entzogen.


Auch Harnstoff als giftiger Abfallstoff kann von den Wiederkäuer-Symbionten wieder zu Proteinen aufgebaut werden. Wiederkäuer müssen das Abbauprodukt Harnstoff daher nicht ausscheiden und nur wenig trinken.
Ihre Symbionten bauen auch den Kohlenhydratgehalt der Blätternahrung vollständig ab, so dass der Blutzuckergehalt von Wiederkäuern nach dem Fressen nicht ansteigt.
[Gamlin/ Vines 1986, Abschn. “Stoffwechsel”]


Pansen, Netz- und Blättermagen, also die Vormägen, sind drüsenlos; "Nur in den Labmagen münden Verdauungsdrüsen, er allein ist der eigentliche Magen der Wiederkäuer, in dem die körpereigene Verdauung beginnt." [Heinemann in: Grzimek 1979]

Bei Kamelen, die ebenfalls wiederkäuen, taxonomisch aber nicht zu den Wiederkäuern gehören, sind hingegen auch die beiden Vormägen mit Drüsen ausgestattet [Wikipedia-Artikel “Paarhufer”, Stand: 3. Januar 2023].

Im Labmagen werden dann dem entwässerten Nahrungsbrei Salzsäure und Protease zugesetzt, um die Symbionten abzutöten und aufzuschließen [Purves et al. 2006, S.1214].




Gigantismus und Stoffwechsel


Die Körpermasse der Dinosaurier machte sie in Verbindung mit den in ihrer geologischen Epoche vorherrschenden Klimaverhältnissen faktisch zu Warmblütlern.

Demnach hätten sie auch enorme Mengen pflanzlicher Nahrung verbrauchen müssen, beim Zehnfachen der Größe eines Elefanten wären das bis zu einer Tonne täglich.

Die heutigen Reptilien erreichen im Gegensatz dazu nur 10 - 20 % des Grundumsatzes von Warmblütlern.

Wahrscheinlich sind die Saurier sogar bessere Nahrungsverwerter als Elefanten gewesen, indem ihr Verdauungssystem mit mikrobiellen Symbionten ausgestattet war. Die Größe und Ausstattung des Kopfes zur Nahrungsaufnahme hätte jedenfalls nicht zu Aufnahme der oben angegebenen großen Nahrungsmengen ausgereicht. Die überproportionale Größe eines mit Gärkammern ausgestatteten Rumpfes wäre hingegen vorteilhaft für die Nahrungsverwertung.

[Reichholf 1994, Teil I, Kap. 7]


Auch der Gigantismus noch heute existierender Krokodile und Schildkröten helfe diesen bei niedrigem Grundsumsatz, lange Perioden des Nahrungsmangels zu überstehen.

Ebenso scheint der Gigantismus der Wale mit der ausgeprägten Saisonalität ihrer Nahrungsaufnahme zusammenzuhängen. Die größten Wal-Arten nehmen nur während eines Teils des Jahres im Polarmeer Nahrung auf und halten sich zur Paarung und Kinderaufzucht in warmen Meeren auf, wo es keine Nahrung für sie gibt. [Reichholf 1994, Teil I, Kap. 7]




Stoffwechsel der Vögel


Bei vielen Arten müssen weibliche Tiere mehr Energie in die Reproduktion investieren als die männlichen, bei Säugetieren auch noch nach der Geburt (Milchproduktion).

Während bei Säugetieren polygame (hauptsächlich polygyne) Sexualbeziehungen weit verbreitet sind, ist Monogamie typisch für Vögel (bei 90 % der Arten). [Mackenzie/ Ball/ Virdee 1998 - topic N 2]
Die männlichen Vögel leisten also regelmäßig Hilfe bei der Brutpflege.


Viele Vogelarten stehen vor dem Problem, dass die Jungen die hochspezialisierten Nahrungsquellen der Alttiere noch nicht vertragen. Auch die Körnerfresser brauchen zur Versorgung ihrer Jungen Insekteneiweiß. [Reichholf 1994, Teil I, Kap. 9]

Einige Arten greifen zur Verhaltensweise des Brutparasitismus, wobei andere Vogel-Arten die geeignete Insektennahrung beschaffen müssen. Beim Kuckuck ist hierfür die Ursache, dass er sich auf giftige und stachelige Raupen spezialisert hat, die seine Jungen nicht vertragen würden. [Reichholf 1994, Teil I, Kap. 9].


Charakteristikum der Vögel ist nicht ihre Flugfähigkeit, sondern das Vorhandensein von Federn. Die Hauptmasse der Federn, nämlich das Flaumgefieder der Dunen, dient nicht dem Flug, sondern der Temperaturregulierung.
Bis vor wenigen tausend Jahren hatten große, flugunfähige Vögel (insbesondere Strauße und Pinguine) eine weit größere Bedeutung als seit der globalen Ausbreitung des Menschen; nach ihrer Biomasse hatten sie auch das größte Gewicht unter den Vögeln.
[Reichholf 1994, Teil I, Kap. 8]

Die Flugleistungen der Vögel verlangten allerdings nach besonders energiereicher Nahrung mit hohem Fettgehalt und mit ausreichend Eiweiß für die Federn. Ein solches Nahrungsangebot habe sich nur den flugfähigen Vögeln mit der Ausbreitung der Insekten erschlossen. Man sollte aber auch den viel fett- und eiweißreicheren Fisch berücksichtigen, der schon Flugsauriern als Nahrung diente.

Bei den besonders kleinwüchsigen Kolibris wird der Stoffwechselumsatz beim Fang von Kleinstinsekten so hoch, dass sie als zusätzliche Energienahrung Blütennektar und Honigtau benötigen. Diese Kohlenhydrate dienen dem Betriebsstoffwechsel, während die eiweißreichen Insekten für einen separaten Aufbaustoffwechsel gebraucht werden. [Reichholf 1994, Teil I, Kap. 8]




Quellenangaben


Siegfried Strugger/ Otto Härtel: Das Fischer Lexikon Biologie 1 (Botanik). Neuausgabe, Frankfurt /M., 1970.

Grzimeks Tierleben. München, 1979 (Taschenbuch-Ausgabe in 13 Bdn.).
- D. Heinemann: Die Wiederkäuer

Linda Gamlin/ Gail Vines (ed.s): Evolution of Life. London, 1986 (deutsche Ausgabe: Wunder des Lebens).
- Abschnitt “Stoffwechsel”

Michael Begon/ John Harper/ Colin Townsend: Ökologie - Individuen, Populationen und Lebensgemeinschaften. 1991.

Josef H. Reichholf: Der schöpferische Impuls - Eine neue Sicht der Evolution. München, 1994 (Taschenbuch).

A. Mackenzie/ A.S. Ball/ S.R. Virdee: Instant Notes in Ecology. Singapore, 1998.

William K. Purves / David Sadava / Gordon H. Orlans / H. Craig Heller: Biologie (Life - The Science of Biology); 7. Aufl.. München, 2006.


Bauernhof.net: “So funktioniert der Magen einer Kuh”