Seit 7000 Jahren werde das Innere der Alten Welt zunehmend zur Wüste und sende Woge auf Woge von Umweltflüchtlingen in die benachbarten Gebiete [Griffith 2001].

In diesen Umweltflüchtlingen die eigentlich geschichtsbewegende Kraft zu sehen, ist eine verschiedentlich vorgebrachte, von mir aber nicht geteilte Auffassung. Es wird argumentiert, diese träten nicht armselig und bescheiden, sondern als Invasoren ('warlords') auf und installierten patriarchalische, auf Gewalt aufgebaute hierarchische Gesellschaftssyteme.


Zunächst einmal scheinen die eigentlichen Invasoren vielmehr aus den klimatisch begünstigten Teilen Mittelasiens zu stammen, wo Pferde gezüchtet werden konnten.

Und man kann obige Historiker-Theorie auch durch den wahrscheinlicheren Ablauf relativieren, dass der relativ geringe Bevölkerungsdruck aus desertifizierten Regionen des Nahen Ostens lediglich den Gegendruck provozierte, der zur autokratischen Herrschaftsform führte.

Dann wäre die Schuld bei denen zu suchen, die mit unverhältnismäßigen Mitteln auf ein leicht zu lösendes Problem reagieren. Denn in der Regel haben Gunsträume selber mit viel größeren Problemen der Übervölkerung zu kämpfen.


Man scheint unbewusst eine Schuld bei Völkern zu suchen, die sich durch ihre Kultur in einer ariden Umwelt behaupten.

Solche Regionen sind aber nicht so lebensfeindlich wie man glaubt und wurden in der Frühgeschichte vielleicht sogar bewusst ausgesucht, weil sie der Gesundheit zuträglicher waren als Naturwaldgebiete.

Auch in der peruanischen Küstenwüste kam es zu einem ähnlich raschen technisch-kulturellen Aufschwung wie in den Bewässerungskulturen des Orients; man kannte allerdings noch nicht den Pflug, jedoch Vorstufen der Schrift [Troll 1967].


Die in Trockengebieten seit ältester Zeit punktuell erreichte Überwindung der Wüste durch künstliche Agrarökosysteme ist traditionelle Fertigkeit und in mancher Beziehung ein zukunftsweisendes Modell.

Wahrscheinlich hat hier erstmals eine Transformation der Umwelt um ihrer selbst willen stattgefunden, während in regenreichen Regionen Kulturen viel länger in einer Subsistenzwirtschaft verharren konnten.

Selbst wenn die Wege der Transformation einer ariden Umwelt ein kultureller Erfolg waren, besteht die Gefahr, dass sie in anderen Regionen erhebliche Schäden verursachen können.


Trockengebiete sind tatsächlich das Zentrum der Alten Welt und damit die Brutstätte menschlicher Hybris, zumal sie sich über eine riesige Fläche von Nordafrika bis China erstrecken.

Selbst in der Neuen Welt sind sie als 'der Wilde Westen' zum Inbegriff der kranken Ideen einer Zivilisation geworden, die ihre 'frontier'-Ideologie vor dieser Kulisse auch auf Celluloid gebannt hat. In Los Angeles ist sogar eine Wüstenstadt zum Inbegriff der Modernität geworden.


Zu denken gibt, dass die menschliche Zivilisation kein Problem mit der von ihr ausgelösten Verwüstung und der Wüste zu haben scheint, - vielleicht, weil sie ihr das beste Umfeld zur Profilierung bieten.

Technische Transformationen haben selbst bis zu einem gewissen Grad Desertifikation zur Voraussetzung. Die Gefahren der Wüste dürfen aber niemals aus den Augen gelassen werden!




Quellenangaben


Carl Troll: Techniques agricoles, milieu naturel et histoire de l'humanité. Bull. Societé Geographique de Liège. tome 3, no.3 (1967).

Brian Griffith: The Gardens of Their Dreams - Desertification and Culture in World History. Halifax/ London/ New York, 2001..