Die heutigen Gesellschaften beruhen in weit stärkerem Maße als es frühere Gesellschaften taten, auf einer totalen Arbeitsteilung.

Der oder die Einzelne ist unter den gegebenen Umständen, die er oder sie nicht selber zu verantworten hat, im Allgemeinen nicht mehr imstande, ausreichend Nahrung für sich selber zu beschaffen.

Die fehlenden elementaren Komponenten wären in erster Linie eine ausreichend große ökologisch tragfähige Fläche, in Industriegesellschaften aber auch Produktionsmittel und Technologien, die den Mangel ausgleichen könnten.



Von allen als erfreulich empfunden wird, dass es heute eine Arbeitsteilung zwischen Mensch und Technik gibt. Diese Technik verursacht aber enorme Kosten - vor allem durch Zerstörung ökologisch produktiver Flächen in großem Maßstab.

Gerade die Arbeitsteilung zwischen Mensch und Technologie, die den Menschen vom Produzenten zum Konsumenten macht, entwickelt sich zum alles beherrschenden Problem.

Natur- und Landbau-Wissenschaften stehen am Scheideweg: sie können sich tatsächlich zu einem bedeutenden Gegenpol zur industriell-urbanen Maschinerie der Umweltzerstörung entwickeln - sie könnten aber auch versuchen, dieses industriell-urbane System mit den spitzfindigen Methoden der Bioökonomie, also dem Chicago-Kapitalismus reinster, tödlichster Form, am Leben zu erhalten.


Dabei handelt es sich auch um ein kulturelles Problem, denn niemand will mehr die Urproduktion betreiben oder sich selbst um seine Nahrung kümmern, aber alle wollen sich bequem den Bauch voll schlagen. Zu diesem Zweck wird bestenfalls an der Entwicklung neuer technischer Anlagen gearbeitet ...


Im alten China war sogar der Einsatz von Arbeitstieren die Ausnahme: Menschen bewegten die Schöpfwerke, drehten die Mühlsteine und treidelten die Schiffe [Braudel 1972].
Dass ein Überangebot an Sklaven und billigen Kulis den technischen Fortschritt hemme, scheint eine Historiker-Regel zu sein. Man könnte allerdings auch im Vorhandensein menschlicher Arbeitskraft überhaupt den Gegenentwurf zu unserer totalitären Technokratie sehen.


Äußerst negativ auf die Lebensgrundlagen wirkt sich aus, wenn Arbeitsteilung auf chaotischen Stellgrößen wie unkontrollierbaren Kapitalströmen und angemaßten Hierarchien beruht.
Einzel-Akteure können sich gegen diese im Hintergrund wirkenden Kräfte nicht durchsetzen, die nicht an guten Argumenten interessiert sind, sondern nur an der Erhaltung ihrer strukturellen Machtbasis. Solche Kräfte können auch große Teile der Gesellschaft von elementaren Komponenten der Arbeitsteilung ausschließen.



Es muss nicht darauf hingewiesen werden, dass die Arbeitsteilung selbst große Risiken birgt: die gefährlichste Arbeitsteilung ist die zwischen Produzenten und Konsumenten.

Diese Arbeitsteilung kann auch formuliert werden als die Arbeitsteilung zwischen Arbeit (als Produzent) und Kapital (als Konsument).

Gerade die modernen Produzenten sind allerdings auch gierige Konsumenten von Rohstoffen, Technologien und Dienstleistungen.


Die immer weitergehende Spezialisierung blähte das Einzelego zu einer die Gesellschaft bestimmenden Lüge auf. Und die Unterordnung des großen Zusammenhanges unter spezialisierte Einzelinteressen ließ das Prinzip der Gewinnmaximierung zur allgemeinen Regelgröße werden. Sie scheint als technisches Instrument ebenso problemlos einsetzbar zu sein wie der Knopfdruck, der Hammer und der Faustkeil.

Diese Form der Arbeitsteilung verursacht eine offenbar unüberwindbare Lähmung des einzelnen Individuums und mit ihm der ganzen Gesellschaft. Die Ausschaltung von Handlungs- und Urteilsfähigkeit bedroht die Zukunft beider.



Konsumententum

Auch heutigentags stellen die im Agrarbereich Beschäftigten das weltweit größte Kontingent der Arbeitskräfte, noch laut Encyclopaedia Britannica 2005 sogar mehr Beschäftigte als alle anderen Berufssparten zusammen!

Leider erwirtschaftet diese Mehrheit agrarischer Arbeitskräfte nur einen Bruchteil des Geldertrages.

Das war schon immer so, heißt es, und dass andere Berufszweige eben eine bedeutend höhere qualitative Leistung erbrächten, die entsprechend zu entlohnen sei.

In diesem Kontext wäre auch die Argumentkette stichhaltig, die die moderne Agrartechnologie als etwas völlig anderes als die Subsistenzwirtschaft herausstellen will, die große Teile der Menschheit betreiben. Auch in der Agroindustrie seien enorme technische und logistische Vorleistungen zu erbringen, die nicht nur unternehmerische Fähigkeiten, sondern auch unternehmerische Gewinnaussichten zur Voraussetzung hätten.


Die Agrar-Produktivität der USA wird zwar von manchen Leuten als Leitbild angepriesen, ist aber in Wirklichkeit gar nicht erstrebenswert. Sie beruht auf einer Welt des Irrsinns, wo in abgelegenen und menschenleeren Weiten Yankee-Kapitalisten die biologischen Grundstoffe für die Existenz von in urbanen Verdichtungszonen dahinvegetierenden Menschen erzeugen.

Daraus ergibt sich die existentielle Problematik, ob moderne Menschen sich tatsächlich weigern, sich selbst um ihre Versorgung zu kümmern. Andere Dinge wie Wohnkomfort und Kleidung mögen ihnen wichtiger sein, andererseits kann selbst der moderne landwirtschaftliche Produzent nur ein relativ kleines Kontingent von durchschnittlich etwa fünf dutzend Konsumenten versorgen.


Die Verantwortung für die Grundversorgung wird also auf den Produzenten oder auf den Markt abgeschoben.

Faktisch muss man aber erkennen, dass die industrielle Marktwirtschaft sich in jüngster Zeit immer mehr als ein System der Umweltzerstörung herausgestellt hat. Man kann das nicht der Agrarbranche zum Vorwurf machen, wenn die eigentliche Ursache der Umweltzerstörung die Überproportionalität reinen Konsumententums ist.



Quellenangabe


Fernand Braudel: Die Geschichte der Zivilisation - 15. bis 18. Jahrhundert. München (Kindlers Kulturgeschichte), 1972.