Chronologie der Vegetationsentwicklung


Während der Elster- und Saale-Glaziale waren zwei Drittel des europäischen Festlandes mit Eis bedeckt.

Um rund 10° C abgesunkene Jahresmitteltemperaturen und die große Trockenheit sorgten für die fast vollständige Verdrängung der Waldflora. Schon mit der ersten quartären Kaltzeit (Prätegelen) war ein großer Teil der europäischen Tertiär-Flora ausgestorben.

Die Rückwanderung der europäischen Restflora in zwischeneiszeitlichen Warmphasen verlief stets nach demselben Schema:
- Anfangsphase: Steppenpflanzen, Birken, Kiefern
- Mittelphase: Eichen, Ulmen, Linden
- Endphase: Rotbuche, Hainbuche, Tanne, Fichte
[Frey/ Lösch 1998, Teil 5].


Im Weichsel-/ Würm-Glazial, der letzten Eiszeit, waren die Landschaften nördlich der Alpen mit Tundren bedeckt, südlich der Alpen mit Wermut-Steppen.

Refugien für andere Artengemeinschaften dürften die Südseiten der Gebirge und die Saumwälder der Gewässer gewesen sein. Die Tanne (Abies alba) soll sich genauso wie die Rotbuche (Fagus sylvatica) aus Refugialgebieten in Süditalien und Griechenland nach Norden ausgebreitet haben.
Wanderwege für thermophile Arten aus Südeuropa und Südwestasien waren Rhône-Tal, Donau-Tal, sowie die Vorländer der Alpen und Karpaten.
[Frey/ Lösch 1998, Teil 5]


Im "Nationalatlas" wird die Rückwanderung der Waldbildner folgendermaßen präzisiert: Die Fichte sei hauptsächlich vom Balkan und Kleinasien her in den Südosten Mitteleuropas zurückgewandert und zwar schon ab 9000 J.v.h..
Buchen und Tannen seien ab 6800 J.v.h. in das südliche Mitteleuropa eingewandert. Die mitteleuropäischen Buchen stammen nach Meinung der Autoren vom Balkan und aus Südost-Europa, während die Rückwanderung aus den süditalienischen Reliktgebieten nach Frankreich und England verlaufen sei (über den extrem schmalen Durchlass der Westalpen).
[Anhuf et al. 2003]



Chronologie der Vegetationsentwicklung [v.h. = vor 1950; Datierung geeicht nach: Anhuf et al. 2003]

[nach: Schroeder 1998 + Tabelle zur Spät- und Nacheiszeit in: Frey/ Lösch 1998]


PALÄOZÄN

Hochglazial/ Pleniglazial

Wald fehlte im größten Teil Europas nicht nur wegen der Kälte, sondern auch wegen der Trockenheit.
Refugien nemoraler Waldbäume waren Süditalien und das westliche Griechenland. Hauptrückzugsgebiet war aber der Raum südlich des Schwarzen und Kaspischen Meeres (Euxinien und Hyrkanien).
Refugien der Koniferen befanden sich südöstlich der Alpen, innerhalb des Karpatenbogens, sowie in Sibirien.
Mitteleuropa war Steppentundra, nördlich davon (Doggerland) war Arktische Tundra. Dem schloss sich südlich der Alpen und an der Atlantikküste bis zur Loire-Mündung Boreale Steppe und im äußersten Süden Nemorale Steppe an.


Spätglazial (15 - 10000 14C-Jahre v.h. = 18000 - 11560 Kalenderjahre v.h.)

Nach einer weiterhin waldlosen Zeit (Arktikum) breiteten sich seit etwa 13000 14C-J.v.h. (15600 Kal.-J.v.h.) Birken und Kiefern aus (Subarktikum). Diese Phase der Vegetationsentwicklung wird als Bölling-Interstadial bezeichnet.
Offene Birken-Kiefernwälder entwickelten sich während des Alleröd-Interstadials (12000 - 11000 14C-J.v.h. = 13800 - 13000 Kal.-J.v.h.). Dem folgten in der Jüngeren Dryas - (oder Tundren-)Zeit (11000 - 10100 14C-J.v.h. = 13000 - 11560 Kal.-J.v.h.) wieder Kältesteppen.


HOLOZÄN

Postglazial (= Holozän)

Vor 11560 Kalenderjahren hatten sich infolge erneuter Erwärmung das nördliche und atlantische europäische Festland bereits in eine Waldtundra verwandelt. Die Voralpen-Region wurde zu einer Taiga mit Kiefern und Birken, aber ohne Fichten, während sich in den Alpen Lärchen und Zirben behaupteten. Südeuropa wandelte sich in einen Trockenlaubwald. Refugien für eine mediterrane Flora scheinen nur in Südspanien nachweisbar zu sein.


Vorwärmezeit (= Präboreal), Kiefer-Hasel-Zeit (10 - 9000 14C-J.v.h. = 11560 - 10250 Kal.-J.v.h.)

Die Nacheiszeit wird durch die Ausbreitung der Kiefer eingeleitet; zunächst mit Birken, seit 9700 14C-J.v.h. (= ca. 11100 Kal.-J.v.h.) mit Haseln.
Haselnusssträucher waren die Vorhut der nemoralen Flora, weil sie sich durch Tierverbreitung ziemlich schnell ausbreiten, zunächst als Unterholz lichter Kiefernwälder. Sie bildeten praktisch auch die einzige pflanzliche Subsistenzgrundlage des Menschen.


Wärmezeit (in drei Stadien), Zeit des Laubmischwaldes (9000 - 2500 14C-J.v.h. = 10250 - 2700 Kal.-J.v.h.)

* Frühe Wärmezeit (= Boreal), Hasel-Zeit (9000 - 7500 14C-J.v.h. = 10250 - 9000 Kal.-J.v.h.)
Die rasche Ausbreitung schattenbildender Laubbäume verhinderte die weitere Verjüngung der Kiefer.

* Mittlere Wärmezeit (= Atlantikum), Linden-Ulmen-Zeit (7500 - 4500 14C-J.v.h. = 9000 - 5800 Kal.-J.v.h.)
Der Mischwald des Atlantikum soll zunächst stärker durch Quercus definiert gewesen sein [Tabelle zur Spät- und Nacheiszeit in: Frey/ Lösch 1998].
F.-G. Schroeder nimmt an, dass in der Wärmezeit die Temperaturamplituden wesentlich weiter waren als heute, da nur die Sommerperiode wärmer gewesen sei (und länger dauerte). Die Winterkälte, die vielleicht nur sporadisch auftrat, begrenzte aber offensichtlich die Ausbreitung wärmeliebender Arten.

* Späte Wärmezeit (= Subboreal), Erlen-Zeit (4500 - 2500 14C-J.v.h. = 5800 - 2700 Kal.-J.v.h.)
Das Subboreal wird zunächst stärker durch Alnus (mit eigenen Pollenzone), zuletzt auch durch die Buche definiert.
Die Buche konnte sich zuerst im Umkreis der Alpen ausbreiten. Ihre nur scheinbar verzögerte Einwanderung könnte auf ihre Unverträglichkeit gegenüber großer Wärme und Austrocknung zurückgeführt werden. Tatsächlich ist sie aber palynologisch schon tausende Jahre vor Übernahme der Dominanz in den deutschen Mittelgebirgen und weit im Norden nachweisbar.


Nachwärmezeit (= Subatlantikum), Buchen-Zeit (2500 14C-J.v.h. = 2700 Kal.-J.v.h. bis heute)

In der aktuellen potentiellen Vegetation würde die Buche im nicht kontinentalen Mitteleuropa südlich von Jütland und bis zu den Sudeten dominieren, sowie in einem disjunkten Gebiet beiderseits des Ärmelkanals.
Buchen werden dominant, sobald die Mitteltemperaturen im Juli unter (20 -) 18° C sinken. Während des Höhepunktes der Wärmezeit im Atlantikum herrschten aber wahrscheinlich mittlere Julitemperaturen von (20 -) 22° C.
Durch die agrarische Tätigkeit wurde die Buche als "klimaxbildendes Schattgehölz" an ihrer Ausbreitung eher gehindert (beispielsweise auf den Britischen Inseln).



Vegetationsentwicklung im rheinischen Tiefland

[nach: Pollendiagramm in: Knörzer et al. 1999]


Entsprechend der Klimalage soll sich eine zeitlich stark abweichende Florenentwicklung in Süd- und Norddeutschland entfaltet haben [Sirocko 2009, Kap.3]. Dabei muss man eher die spät- und postglazialen Mittelgebirge dem Norden mit verzögerter Klimaerwärmung zurechnen als das Gebiet am Niederrhein.

Das hier ausgewertete Pollendiagramm aus dem Rheinland von Arie J. Kalis 1981 in Kalenderjahren (und in Jt.v.Chr. statt J.v.h.) deckt sich nicht vollständig mit obiger Aufstellung. Offenbar sind Präboreal, Boreal und der Beginn des Atlantikum um einige Jahrhunderte in die nähere Gegenwart verschoben. Hinzu kommen Florenveränderungen durch menschliche Aktivitäten.


* Nur in der Jüngeren Dryaszeit überwog noch die Birke, sonst in den kühlen Perioden (Interstadiale, Präboreal) bei weitem die Kiefer.
* Das Holozän (oder Postglazial) begann mit dem Präboreal, der Kiefern-Birken-Zeit.
* Erst im fortgeschrittenen Boreal, im 8. und 7. Jt.v.Chr., kam die Hasel zur Kiefer und Birke dazu und wurde zur dominanten Gehölzart.
* Im Atlantikum (6. - 5. Jt.v.Chr.) dominierten Ulmen vor den Linden.
* Im mittleren Atlantikum erlebte auch die Esche eine Phase starker Verbreitung.
* Linden wurden erst im Spätatlantikum und Subboreal (5. - 2. Jt.v.Chr.) dominant.
* Die seit dem Boreal vorhandenen Eichen wurden im Subboreal (4. - 2. Jt.v.Chr.) zunehmend dominant.
* Im Subatlanikum um die Zeitenwende sind wieder Kiefer und Birke stärker präsent. Außerdem breitet sich erstmals die Buche aus, die Hainbuche erst nach Christus.
* Parallel dazu seit der Eisenzeit (frühes Subatlantikum ab dem 7. Jahrhundert v.Chr.) starke Ausbreitung der Landwirtschaft (Getreide- und Nichtbaumpollen).




Entwicklung des Gehölzarten-Inventars im Rheinland

[nach: Knörzer et al. 1999, Teil 3]


Die Birke hat sich bereits in der Bölling-Zwischeneiszeit vor Ausbruch des Laacher See - Vulkans ausgebreitet (vor etwa 15 Jahrtausenden). Doch auch im letzten Eiszeit-Stadium des Jüngeren Dryas konnte sie sich behaupten. Birken sind heute im rheinischen Untersuchungsgebiet mit seinen Lößböden eher selten; auf Moorböden siedelte sich Betula pubescens an.

Im nacheizeitlichen Rheinland wurde die Birke bald von den Laubbäumen verdrängt, doch für die Menschen des Spätglazials muss die Birke eine überlebenswichtige Ressource gewesen sein.
In der klimatisch begünstigten Jungsteinzeit scheint die Birke oft nicht mehr verfügbar gewesen zu sein.


Birkenholz ist wegen seines hohen Teergehaltes ohne Trocknen als Brennholz nutzbar.

Ihre Rinde mit zwei Schichten ist als Ganzes wasserdicht. Gleichzeitig wasserdicht und elastisch, war Birkenrinde ein unersetzlicher, vielfältig eingesetzter Werkstoff.

Die Rindenabsonderungen bei Verletzung (Birkenteer) wurden schon in der Vorzeit durch Erhitzen zu Pech weiterverarbeitet, das als Klebstoff für Steinklingen (Mikrolithen) diente.

Birkenpech und Eimer aus Birkenrinde fand man noch im altneolithischen Brunnen von Erkelenz-Kückhoven.


Auch die Pappel (wohl Populus tremula) ist im Rheinland schon im Spätglazial nachgewiesen. Holzkohle von Gebrauchsgegenständen (keine andere Verwendung wahrscheinlich) gibt es seit der Bandkeramik.


Bei Erwärmung folgte die Kiefer (Pinus sylvestris) auf die Birke. In der frühen Nacheiszeit beherrschten Kiefern die Vegetation Westdeutschlands, wurden dann aber fast vollständig durch die Laubbaumarten verdrängt. Infolge der "flächendeckenden Entwaldungen der Eisenzeit" breiteten sich die Kiefern dann wieder stärker aus.


Auch die wenig bekannte Traubenkirsche (Prunus padus) soll "schon seit dem Spätglazial im Rheinland heimisch" gewesen sein.
Tatsächlich hat die Traubenkirsche ein ausgesprochen atlantisches Verbreitungsgebiet beibehalten; sie scheint von einem eher kühlen Klima und außerdem von Bodenfeuchte abhängig zu sein.


Die besonders im Auenbereich wachsende Feldulme (Ulmus minor = carpinifolia; auch eine Form mit Korkleisten) hatte im späten Mesolithikum und im Neolithikum ihre größte Verbreitung.


Wirtspflanzen der am Saftstrom von Laubbäumen parasitierenden Mistel (Viscum album album) sind heute vor allem Apfelbäume und Pappeln. "... nach den pollenanalytischen Befunden scheint ihre bevorzugte Wirtspflanze im Atlantikum die Linde - mit der die Mistel immer gemeinsam vorkommt - gewesen zu sein" [Knörzer et al. 1999, Teil 3]. Sie ist allerdings im Rheinland pollenanalytisch bereits seit dem Boreal (Mesolithikum) nachgewiesen.


Die Schlehe (Prunus spinosa) sei "spätestens seit dem Atlantikum im Rheinland heimisch", also seit dem späten Mesolithikum.
Holz-Nachweise und Holzkohlen der Vogelkirsche (Pr. avium) gibt es dagegen erst seit dem Altneolithikum.


Auch die Holunder-Arten sollen im Rheinland erst seit dem Atlantikum, dem Höhepunkt der Wärmezeit, nachweisbar ein.

Hagebutten sind zwar bereits aus der Zeit der Bandkeramik nachgewiesen, aber doch nur selten; das liegt sicher nicht daran, dass sich Wildrosen in dieser Zeit des klimatischen Optimums im Rheinland nicht ausbreiten konnten.


Im rheinischen Tiefland hat eigentlich nur der Feldahorn sein natürliches Verbreitungsgebiet, während die beiden anderen Ahorn-Arten sich nur im Mittelgebirge ausbreiten. Dieser Auffassung schließt sich auch Schumacher 1995 an. Nichtsdestotrotz wurden die beiden größeren Arten problemlos überall angepflanzt und eingebürgert!

Die Buche wurde im Rheinland erst im Frühmittelalter zu einer dominierenden Waldbaumart. Als Brennholz ist sie jedoch schon seit der Urnenfelderzeit nachgewiesen, also etwa seit dem 1. Jt.v.Chr. (Pollennachweise ebenfalls!).




Quellenangaben


W. Schumacher (Hg.): Atlas der Farn- und Blütenpfanzen des Rheinlandes. Bonn, 1995.

Fred-Günter Schroeder: Lehrbuch der Pflanzengeographie. Wiesbaden, 1998.
- III. H. Zur Pflanzengeographie Mitteleuropas
-- 1. Die Wiederbewaldung nach der letzten Eiszeit (S. 394)

Wolfgang Frey/ Rainer Lösch: Lehrbuch der Geobotanik - Pflanze und Vegetation in Raum und Zeit. Stuttgart/ Jena/ Lübeck/ Ulm, 1998.
- Teil 5 - Floren- und Vegetationsgeschichte (Historisch-genetische Geobotanik)
-- Tabelle zur Chronologie von Spät- und Nacheiszeit (S. 96)

Karl-Heinz Knörzer et al.: PflanzenSpuren - Archäobotanik im Rheinland - Agrarlandschaft und Nutzpflanzen im Wandel der Zeiten. Köln, 1999.
- Teil 3: A.J. Kalis/ U. Tegtmeier: Gehölze als Nutzpflanzen

Dieter Anhuf, Achim Bräuning, Burkhard Frenzel und Max Stumböck: Die Vegetationsentwicklung seit dem Höhepunkt der letzten Eiszeit (2003) [in: Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland, 1999 ff (online) - Bd.3: Klima, Pflanzen- und Tierwelt, S.88 - 91.]

Frank Sirocko (Hg.): Wetter, Klima, Menschheitsentwicklung - Von der Eiszeit bis ins 21. Jahrhundert. Darmstadt, 2009.
- Kap. 3: Pollenanalyse als Grundlage der Rekonstruktion von Umwelt- und Vegetationsgeschichte