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Gentechnik

Es sei leichter, die Vorteile der Gentechnik aufzuzählen, als ihre Risiken abzuschätzen!
Wahrscheinlich liegt es hieran, dass sich Klaus Hahlbrock in diesem Buch auf das erstere beschränkt ...

Er behauptet, der Bevölkerung mangele es dermaßen an Grundkenntnissen, dass sie nicht einmal wisse, dass Organismen “von Natur aus” Gene enthalten, an deren Zusammensetzung die Gentechnik doch letztendlich nur wenig ändere.

(Warum wollen diese Trottel bloß in einer Atombomben-freien Welt leben, wenn die Materie doch ohnehin aus Atomen besteht?)


Der Autor scheint zu bedauern, dass das deutsche “Gentechnikgesetz” von 1990 “zu Beginn des Jahres 2005 so weit verschärft [wurde], daß Freilandversuche zu Forschungszwecken erheblich erschwert sind, und ein kommerzieller Anbau transgener Pflanzen in Deutschland praktisch ausgeschlossen ist.”

Denn gleichzeitig stiftete der mit Informationstechnik ziemlich reich gewordene Bill Gates eine halbe Milliarde für die Entwicklung der Gentechnik in Entwicklungsländern. Nun muss sich also der wissenschaftliche Nachwuchs Afrikas mit dieser unerfreulichen Materie beschäftigen.


Die vom Autor herausgestellten Vorteile der Gentechnik seien die folgenden:


Gentechnik ist Artenvielfalt

Als Gegenentwurf zu den Forderungen nach mehr Arten- und Sortenschutz wird die beschleunigte Züchtung neuer Sorten und Arten empfohlen - beispielsweis wegen der “immer noch unzureichenden Qualität einiger Hauptnahrungsmittel”. Eine Grundlagenforschung im Sinne der Gentechnik müsse also vorangetrieben werden.

Durch die fast unendlichen Kombinationsmöglichkeiten einer größeren Anzahl von Genen sei jeder Organismus einzigartig, also auch der gentechnisch erzeugte.


Gentechnick ist keine große Sache

Der Autor behauptet, schon die ersten Käser, Bäcker und Brauer hätten Gen-Technik betrieben, die “züchterische, also genetische Optimierung von Organismen für bio-technische Zwecke”.

Nach einem genetischen Eingriff wird das neu entstandene Genom kopiert und weitervererbt. Bei der Tomatensorte “FlavorSavor” habe man beispielsweise einfach ein Gen entfernt, wodurch die Fäulnis bei der Fruchtreife stark verzögert wurde.

Die genetische Information wird an Proteine weitergegeben, die als Zellbausteine oder Katalysatoren wirken. “Jedes Gen enthält neben einem Abschnitt mit der Kopieranweisung für ein bestimmtes Protein (dem Strukturgen) eine Steuereinheit (den Promotor) ..” Um das Funktionieren eines importierten Gens zu ermöglichen, kann es mit einem entsprechenden Promotor des zu manipulierenden Genoms kombiniert werden.

In der Gentechnik werden präparierte Gene und sogar völlig artfremde Gene ziemlich problemlos auf Empfängerzellen übertragen, z.B. durch das Vermischen mit einer Protoplasten-Suspension. Die Erzeugung pflanzlicher Protoplasten erfolgt mit Hilfe von Mikroorganismen, die die Zellwand zersetzen.

Es gebe die “Möglichkeit, auf jeder Stufe die DNA bei Bedarf in eigens dafür gezüchteten Laborstämmen des Darmbakteriums Escherichia coli in beliebiger Kopienzahl zu vermehren. Dafür werden Mutanten des Bakteriums verwendet, die nur unter künstlichen Nährstoffbedingungen lebensfähig sind, so daß ihre unkontrollierte Verbreitung außerhalb des Labors ausgeschlossen ist.” Na also, Mutter Natur sorgt doch für alles.

Gentechnik kann also in jedem Garagenlabor betrieben werden. Wenn Schurkenstaaten ihre Hungerprobleme bekämpfen wollen, dann sollen sie gefälligst Gentechnik betreiben.


Gentechnik ist normale Züchtungsarbeit

Es werden in der Tat gewichtige Argumente für die Gentechnik als eine Methode der Pflanzenzüchtung angeführt: “In dem Zeitraum von mindestens fünf bis zehn Jahren, den die Züchtung einer einzigen modernen Getreide- oder Kartoffelsorte .. beansprucht, hat die menschliche Bevölkerung soeben noch um eine halbe Milliarde zugenommen.” Die direkte “Übertragung von Erbinformationen” mit Hilfe der Gentechnik verringere den “Züchtungsaufwand” erheblich.

Der Autor weist auch darauf hin, dass nach der erfolgreichen Übertragung einer "Erbinformation" auf gentechnischem Weg der zweite Schritt eine umfassende konventionelle Züchtungsarbeit sei mit dem Ziel einer lebens-, markt- und zulassungsfähigen Ausgangspopulation. Außerdem seien die erzielten positiven Eigenschaften durch “züchterischen Selektionsdruck” (Erhaltungszüchtung) zu bewahren.

An anderer Stelle wird erwähnt, dass transgene Eigenschaften jeweils in lokale, an bestimmte Standortbedingungen angepasste Sorten eingekreuzt werden können (und müssen).

All das vermindert den Geschwindigkeitsvorteil der Gentechnik natürlich etwas.






Anwendung der Gentechnik

Ein beträchtlicher Teil der von der Gentechnologie projektierten Ziele ist schon in die Praxis umgesetzt worden.


Die Erzeugung von Stoffen durch gentechnisch veränderte Mikroorganismen, die diese normalerweise nicht produzieren, gilt allgemein sicher schon als ethisch vertretbar und damit akzeptabel.

Als Beispiel herrscht große Nachfrage nach Insulin (“ein Hormon der Bauchspeicheldrüse”), um Diabetes zu behandeln. Es wurde Verstorbenen und Schweinen entnommen, oder synthetisch hergestellt. Gentechnik soll Kranke vor den bei diesen Erzeugnissen auftretenden Nebenwirkungen befreien.

Der Autor echauffiert sich etwas, dass die gentechnische Produktion von Insulin in den 80er Jahren hierzulande verboten wurde, und sich damit die Gentechnik als Wirtschaftszweig ins Ausland verlagert habe; merkwürdig ist dabei, dass das gentechnisch erzeugte Insulin aber legal nach Deutschland eingeführt werden kann.


Durch gentechnische Implantierung von Impfstoffen in die Nahrungspflanzen könne beispielsweise auch “Immuntherapie von Pollenallergie” betrieben werden.


Erklärtes Ziel der gentechnischen Forschung ist die Erzeugung ganz neuartiger Resistenzmechanismen, die nicht durch einfache Mutationen der Schadorganismen zu durchbrechen sind.

Die Rede ist auch von den “von Bakterien auf Pflanzen übertragenen Formen von Insektenresistenz und Herbizidtoleranz”:


Gentechnik wird zur Erleichterung des Herbizid-Einsatzes eingesetzt. Mit Hilfe der Gentechnik werden beispielsweise die Herbizid-empfindlichen Gene modifiziert oder Gene zum Herbizid-Abbau importiert.

Die “mehr als drei Viertel .. weltweit angebauten transgenen Pflanzen”, die wegen ihrer Herbizid-Toleranz erzeugt werden, dürften den reduzierten Pflanzenschutzmittel-Einsatz auf Grund der Resistenz transgener Sorten wieder wettmachen.

Durch die Gentechnik Herbizid-toleranter Soja mache “derzeit den Hauptanteil aller gentechnisch veränderter Pflanzen aus”. Über die Futtermittel gelangen nun auch viele Deutsche beim Verzehr ihrer Schnitzel schon in den Genuss einer erhöhten Herbizidtoleranz.

An anderer Stelle behauptet der Autor, durch herbizidtolerante Sorten werde der Chemie-Einsatz reduziert, weil wieder Totalherbizide eingesetzt werden könnten, “die umweltverträglicher seien und zudem in geringeren Mengen angewendet würden”.


Eine fragwürdige Erfolgsgeschichte in diesem Zusammenhang ist die vom sog. ‘Bt-Toxin’, das ursprünglich nur von dem Bacillus thuringiensis erzeugt wurde. Dieser Mikroorganismus wurde in den letzten Jahrzehnten zunehmend zur biologischen Bekämpfung von Schadinsekten gezüchtet und ausgesetzt.

Das übermäßig große, toxische Bakterien-Protein wurde für den Gentransfer reduziert und mit einem Promotor-Gen kombiniert, welches dann für die Produktion des Gifts genau an den Fraßstellen sorgt.

Der Einsatz von auf diese Weise gentechnisch präparierten Pflanzentypen gilt als besonders sinnvoll, wenn ein Befall durch stengelbohrende Insekten, die durch chemische Mittel schlecht zu erfassen sind, auftritt (Maiszünsler, Baumwollkapselwurm).

Baumwolle mit dem Gen zur Produktion des Bakterien-Toxins wachse in Südafrika und China schon auf dem weitaus überwiegenden Teil der Anbauflächen und dürfte sich damit auch schon in unseren Unterhosen befinden.

Da die Baumwolle bislang den weltweit größten Pflanzenschutzmittel-Verbrauch verursacht habe, sei die durch Gentechnik erzielte Halbierung des Pflanzenschutz-Einsatzes ein großer Erfolg.


Viren sind schwer zu bekämpfen, weil sie Teil des Wirtsorganismus werden. Zwecks Erzeugung einer Virusresistenz wird auf gentechnischem Weg die pflanzliche Produktion viraler Hüllproteine angeregt, weil “die Vermehrung von Viren durch deren eigenes Hüllprotein unterbunden wird, sofern dieses frei in der Pflanzenzelle auftritt”. Berühmtheit soll hier eine virusresistente Papaya-Sorte erlangt haben.


Manipulation der Nährstoffzusammensetzung:

Es besteht ein Mangel an Provitamin A (Beta-Karotine u.a.) in manchen Nahrungsmitteln, insbesondere bei einseitiger Ernährung mit Reis, der zu Sehschwächen und zur Schwächung der Immunabwehr besonders bei kleinen Kindern und angehenden Müttern führt. “Den einzig erkennbaren Ausweg bot die Gentechnik”, indem sie eine transgene Provitamin A -haltige Reissorte mit goldgelber Färbung (“Goldener Reis”) am Markt einführte. Nun werden weitere Reissorten konzipiert, die mit Proteinen, Vitaminen und Eisen ausgestattet sind.

Andererseits könnte man natürlich auch Anstrengungen zu einer Verbesserung der Landwirtschaft, Anbauplanung, Lebensmittelversorgung, medizinischen Versorgung, Politik, Bildung etc. etc. unternehmen.





Ethische Bewertung der Gentechnik

Die Macht der ‘big science’ und vor allem der ‘big technology’ lasse das “erfolgreiche Prinzip Wagnis” ... “weit über den Kreis der Verursacher hinauswirken”.

Klaus Hahlbrock will nichtsdestotrotz die schwer lastende Verantwortung für diese Gefahren, die der Wissenschaftler verursacht, dessen Engagement auf seinem Fachgebiet (- in diesem Falle also der Gentechnik -) überlassen. An anderer Stelle listet er als Schwachstellen der ‘Verantwortungskette’ im Einzelnen auf: “.. die Anwendung (Technik), die Nutzung (Wirtschaft), die Verwaltung (Staat) und die Kontrolle (Politik)”.

Herr Hahlbrock weist aber auch darauf hin, dass die Öffentlichkeit als Geldgeber der Genforschung einen nur “denkbar schlechten Gebrauch” von ihrem Informationsrecht mache, und er behauptet sogar: “.. finanzielle Förderung ist leichter für die Forschung als für deren allgemeinverständliche Darstellung zu erhalten”.
Diese sei jedoch nicht durch “hektisches Recherchieren” und ein “sensationell aufgemachtes Spiel mit der Angst” wie “in der Mehrzahl der .. Darstellungen” zu vermitteln - sondern durch Experten wie ihm selber gegen ein angemessenes Honorar.


Auf die Frage “Darf der Mensch in die natürliche Evolution eingreifen?” gibt der Experte auch selbst die Antwort: “Offenbar ja, denn das tut er seit Beginn der Neolithischen Revolution ...”

Angesichts der erschreckenden Folgen dieser Eingriffe sollte man diese Antwort aber nicht allzu ernst nehmen.

Er erlaubt sich auch das (schlechte) akademische Späßchen, dass ein vielfältiges und artenreiches Ökosystem kaum durch gentechnisch veränderte Organismen gestört werden könne ... Keine Beachtung findet dabei allerdings, dass die Gentechnik ja gerade einen weiteren Schritt zur globalen Vernichtung dieser Ökosysteme bedeutet.


Herr Hahlbrock hält es für möglich, dass die Gentechnik auch zur Herstellung biologischer Waffen genutzt werden kann. Offenbar sieht er aber nicht, dass sie schon zum jetzigen Zeitpunkt als Waffe und in verwerflicher Absicht angewendet wird.

“Multinationale Industriekonzerne sind das Ergebnis, nicht die Ursache einer Wirtschaftsform, die von einer überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung in allen politisch freien Industrienationen im regelmäßigen Turnus von Parlamentswahlen bestätigt und somit gewünscht wird. Die Unterschiede zwischen den meisten politischen Parteien sind in dieser Hinsicht unbedeutend: Die Industrieproduktion ist eine der tragenden Säulen unseres Wohlstandes - unseres Steueraufkommens und unserer Arbeitsplätze.” An anderer Stelle wird der große Stellenwert der Gentechnik gerade für den Bestand der ganz großen Industriekonzerne heraufbeschworen.

In dieser Weltsicht scheint immer der Konsument schuld zu sein, nicht der Anbieter - insbesondere natürlich, wenn er/sie sich mit Billigprodukten wie Junk- und Genfood bedient.


Die Verbreitung technisch veränderter Genome sei normalerweise über die sexuelle Reproduktion ohne weiteres möglich und könne nur durch künstliche (gentechnische) Einrichtung von Reproduktionsbarrieren verhindert werden.

Die praktische Nutzung der sog.’GURT-Technologie’, eines “mit gentechnischen Mitteln erzeugter Mechanismus, der bewirkt, daß geerntete Samen steril sind und nicht erneut als Saatgut verwendet werden können”, wurde durch ein internationales Moratorium untersagt (2006 verlängert). Dabei verhindere sie doch eben die unkontrollierte Ausbreitung transgener Pflanzen.


Es gebe selbstauferlegte Regeln der Wissenschaft: die Arbeit in Kontrollbereichen unterschiedlicher Sicherheitsstufen.

Ferner stellt der Autor auch selber einen Regel-Katalog zusammen, der sich unter anderem auch mit dem menschlichen Genom befasst.


Zum Schluss seines umfassenden Exkurses zur Preisfrage “Kann unsere Erde die Menschen noch ernähren?” dürfte nun jedem klar sein, dass die Behauptung, Gentechnik sei von Übel, natürlich bloßer “Ausdruck mangelnder globaler Verantwortung” ist.



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Züchtung oder Gentechnik?