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Saisonale Bedingungen und Mittelmeerwetter




Saisonale Bedingungen


Das Mittelmeergebiet wird geprägt durch den jahreszeitlichen (saisonalen) Wechsel der Bedingungen des subtropischen Hochdruckklimas (Passatwindzone im Süden) und des gemäßigten Klimas (Westwindzone im Norden). Dieser Wechsel ist auf die sommerliche Wanderung der 'Innertropischen Konvergenzzone' nach Norden (bzw. im Winter nach Süden) zurückzuführen.

Im Winter herrschen am Mittelmeer zyklonale Wetterbedingungen vor, die aber durch den Einfluss des Meeres abgeschwächt werden.

Rother 1984 beschreibt den für das 20. Jh. typischen Verlauf eines Sommers im Mittelmeerraum:
Schon Anfang Mai verursache das Azorenhoch sommerliche Trockenheit.
Atlantische Tiefs mit Regenfällen beenden ab Ende September den subtropisch ariden Sommer, der Einfluss des zyklonalen Westwind-Klimas entfalte sich aber erst ab Ende Oktober.
[Rother 1984]


Das Mittelmeer-Gebiet gerät im Winter nicht unter den Einfluss polarer oder kontinentaler Kaltluft, sondern lediglich unter den Einfluss der sich nach Süden verlagernden Westwind-Zone mit verhältnismäßig mildem, aber regenreichem Klima.

Doch die randlichen Gebirgslagen und selbst der meernahe Apennin können harte und schneereiche Winter erleben.




Zwei Jetstreams, der polare und der subtropische, beeinflussen das Mittelmeerklima. Sie meandrieren als schnelle Luftströmungen zwischen den Luftmassen verschiedener Temperatur in großer Höhe und können in Gebieten niedrigen Luftdrucks Wirbel erzeugen. Je nach ihrer jahreszeitlichen Verlagerung bringen sie kalte oder warme Luft in das Mittelmeergebiet. [Harding et al. 2009]


Auch die 'Nordatlantische Oszillation (NAO)' beeinflusst im Winter das Wetter und die Niederschlagsmengen bis in den Osten des Mittelmeergebietes: Bei stark ausgeprägter NAO wandern die Winterstürme in den Nordosten Europas, bei schwach ausgeprägter NAO wandern die Winterstürme dagegen in die mediterrane Zone, so dass dort größere Regenmengen anfallen. [Harding et al. 2009]

Die 'Mittelmeerische Oszillation (MO)' gibt die Luftdruck-Differenz zwischen westlichem und östlichem Mittelmeer wieder.


Sogar die Stärke des Indischen Monsuns hat Einfluss auf das Mittelmeerklima: Offenbar führen große aufsteigende Luftmassen über Indien große absteigende Luftmassen im östlichen Mittelmeer herbei. Das bedeutet dann Hochdruck und Trockenheit. [Harding et al. 2009]




Wettergeschehen


Die jahreszeitlichen Niederschläge werden laut Rother 1984 am nördlichen und am südlichen Rand des Mittelmeeres durch zwei verschiedene Zyklonen-Bahnen transportiert:
Die südliche Zugbahn, die den echten Winterregen bringt, verläuft "von der Straße von Gibraltar .. entlang der nordafrikanischen Küste bis ins östliche Mittelmeerbecken".
Die nördliche Zugbahn, die vornehmlich im Herbst und im Frühjahr Regen bringt, führt "vom Garonnebecken .. zum Ligurischen Meer und zur Adria".
[Rother 1984]


Im Winterhalbjahr führt der Kontakt von atlantischen Tiefs mit der südlich anschließenden trockenen Luft zu regenbringenden Zyklonen. - Beispielsweise kommt es im nördlichen Mittelmeerraum im Winter zu regenarmen Hochdruck-Perioden, die die atlantischen Luftmassen nach Süden abdrängen und dort Winterregen verursachen. [Wagner 2001]

Dabei ist überwiegend das Mittelmeer selbst die Ursache der Zyklonen-Entstehung. Starke, sich rasch fortbewegende Zyklone mit heftigen Niederschlägen sind eher die Ausnahme. [Harding et al. 2009]

Regenbringende Tiefdruck-Tröge bilden sich oft im Windschatten der großen Gebirge - am ausgeprägtesten wohl am Fuß der Meeralpen im Golf von Genua!


Nördliche Luftmassen gelangen in den Mittelmeerraum, wenn über dem zentralen oder östlichen Mittelmeer ein starkes Tief herrscht und über Westeuropa ein Hoch (als Ausläufer des Azoren-Hochs oder auch eines sibirischen Hochs).
Die regenbringenden zyklonischen Wetterlagen entstehen erst über dem Mittelmeer, indem die relativ kalten und trockenen meridional verlaufenden Luftströmungen aus dem N mit dem relativ warmem Wasserkörper in Kontakt geraten.

Das wichtigste Zentrum der Zyklonogenese ist der Golf von Genua. Von hier aus wandern die Tiefs entlang der italienischen Küste und dann ins östliche Mittelmeer.
Ein weiterer Ort der Zyklonogenese ist jedoch auch das Ägäische Meer.
[Rohling et al. 2009]


Über dem Schwarzen Meer wird das Maximum der Zyklonentstehung ganz im Gegensatz zum Mittelmeer im Hochsommer erreicht.

Auch in Syrien und im Irak entwickeln sich Zyklone hauptsächlich im Sommer, über Zypern dagegen überwiegend im Winter.


Auch Nordafrika ist ein Zentrum der Zyklonogenese, allerdings nur im Spätwinter und frühen Frühjahr; hier entwickeln sich hohe Windgeschwindigkeiten, aber kaum Niederschläge.

[Harding et al. 2009]



Der Winter


Der mediterrane Winter kann je nach Breitenlage sehr frühlingshaft sein; das bedeutet im äußersten Süden, dass der Winter auch sehr regenarm ist. - Die Niederschläge fallen an wenigen Tagen oder bei Gewittern.






An der Côte d'Azur wirken die umgebenden Bergländer im Winter als Klimabarrieren gegen polare Witterungseinflüsse, indem sie die kalten Luftmassen zurückhalten, aber auch als Regenfänger wirken. In größerer Höhe kommt es zu Nachtfrösten.





Im Februar 2009 ließ sich anhand der Wetterkarten im Fernsehen dieses besonders günstige Klima östlich der Rhône-Mündung verfolgen: West- und Mitteleuropa wurden von einem überraschenden Winter-Einfall mit Stürmen und riesigen Mengen Regen und Schnee heimgesucht, einzig und allein die Côte d'Azur blieb von dem aus dem W und N kommenden schlechten Wetter abgeschirmt.



Genua-Zyklone


Im Winter bildet sich am Nordrand des Mittelmeeres die sog. 'Mediterrane Front' zwischen polaren und tropischen Luftmassen. Die hier entstehenden 'Genua-Zyklone' mit nördlichen Zugbahnen sind für einen großen Teil des zyklonalen Wettergeschehens im Mittelmeerraum verantwortlich. [Rother 1984]


Vom N-Atlantik ausgehende Tiefdruck-Zellen können nacheinander die Zentren der Zyklogenese im Golf von Genua, im Ägäischen Meer und im Schwarzen Meer durchlaufen.

Die Genua-Zyklone bleiben aber in den meisten Fällen stationär am Fuß der Alpen. Ihre Bahnen werden relativ häufig durch Hochdruckgebiete in Südosteuropa nach Süden ins Ionische Meer (westlich von Griechenland) abgelenkt, wobei sich gleichzeitig Fallwinde (Bora) entwickeln können.

Seltener wandern Genua-Zyklone über den Golf von Venedig und die Alpen nach Nordosten, was in Mitteleuropa zu extremen Regenfällen führen kann.

[Harding et al. 2009]





Typische Winde


Die thermische Pufferwirkung des Meerwassers erzeugt Tiefdruck und damit vom Land in das Mittelmeerbecken wehende zentripetale Winde. Vornehmlich im Winter bei großen Druckunterschieden zwischen Wasser und Land treten daher regionale Winde auf, die häufig auch durch das Relief bedingt sind.

An der Nordseite entstehen kalte Fallwinde ('katabatische Winde') wie der Mistral, welcher über das Rhônetal zum Meer geleitet wird, und die Bora an der dalmatinischen Steilküste.

An der Südseite des Mittelmeeres entstehen dagegen in den kühleren Jahreszeiten an der Vorderseite von Zyklonen warme Südwinde, von welchen der bekannteste der Scirocco des westlichen Mittelmeeres ist.

[Rother 1984]



Mistral


Der südfranzösische Mistral entsteht hauptsächlich im Winter und Frühjahr.

Der Mistral soll auf dem Lande eher von klarem und trockenem Wetter begleitet sein und führt erst über dem Meer bei Kontakt mit den Tiefdruckfronten zu Niederschlägen.
Marseille zählt 175 Mistral-Tage im Jahr, gehört aber gleichzeitig zu den sonnenreichsten Orten des Mittelmeergebietes (fast 2800 h Sonnenscheindauer).
[Rother 1984]


Im Februar 2009 hieß es zwar mehrmals im 'méteo', es herrsche Mistral und Transmontagne, doch habe ich davon wenig gemerkt: Der Mistral soll zwar Kälte bringen, aber eben auch sehr trocken sein. Es gab nur ein paar sehr düstere Regentage.




Der Mistral entwickelt sich als Fallwind, indem Kaltluft aus dem Zentralmassiv und von den Alpen in den Rhône-Graben abfließt. Im Winter ist fast jeder zweite Tag in Marseille durch den Mistral beeinflusst, der ein kaltes, aber sonniges Wetter hervorruft.
Auf dem Meer erzeugt er hohen Seegang; Stärke erhält er aber erst durch ein Genua-Tief.
[Harding et al. 2009]



Scirocco (und andere heiße Winde)


Hauptsächlich in der Übergangszeit (Frühjahr) werden durch zyklonale Luftbewegungen starker Tiefdruckgebiete (meistens über dem Mittelmeer) typische Winde aus dem Süden hervorgerufen. Der Ursprung der Luftmassen ist das Landesinnere, sie sind daher heiß und staubhaltig, können aber nach Überqueren des Mittelmeeres auch Regen bringen. [Schamp 1962/63]

Im westlichen Mittelmeer werden sie meist als Scirocco bezeichnet, aber auch als Chichili (in Algerien). Im östlichen Mittelmeer sind sie als Ghibli (Libyen) und Chamsin (Ägypten) bekannt.

Der Südosten des Mittelmeerraumes wird durch den in Ägypten entstehenden Khamsin beherrscht. Dieser Frühjahrs-Wind bringt trockene, staubreiche Luft, die die Schleimhäute reizt [Harding et al. 2009].



Etesienwinde


Einen besonderen Typ stellen die sommerlichen warmen Nordwinde des östlichen Mittelmeerraumes (bis Kreta) dar, die Etesienwinde, die relativ sanft, dafür aber sehr stetig wehen.

"Fast den gesamten Sommer über herrschen unter dem Einfluss des subtropischen Hochdruckgürtels beständige Wetterlagen vor; nur im östlichen Mittelmeer (vor allem im Ägäischen Meer) führen die aus nördlichen Richtungen wehenden Etesien zu Abkühlung." [Wikipedia-Artikel "Mittelmeer", Stand: 5. August 2013]


Das Mittelmeerklima wurde früher auch als Etesienklima bezeichnet. Doch die Etesienwinde werden durch eine einzigartige klimatische Situation hervorgerufen und treten daher nur im ägäischen Raum auf. Sie können daher eigentlich kein Merkmal der weltweit verbreiteten mediterranen Zonen sein.

Das starke sommerliche Subtropen-Hoch über dem Meer bewirkt allerdings in den mediterranen Zonen überall eine absteigende Luftzirkulation (Antizyklone) - auf der Nordhalbkugel nach Südosten und dann wieder zurück nach Westen.

Im ägäischen Raum wird dieses Hoch von einem dauerhaften asiatischen Monsun-Tief begrenzt, das auf die sommerliche Erhitzung der riesigen asiatischen Landmasse zurückzuführen ist, deren aufsteigende Luft dann die Verschiebung der Tropischen Konvergenzzone (ITC) nach Norden bewirkt.
Die sich zwischen diesen beiden globalen Strömungssystemen bildenden Nordwinde sind die Etesienwinde.

Zwar reicht der Einfluss des wirklichen Monsuns bekanntlich bestenfalls bis Pakistan, doch können sich über der asiatischen Landmasse Hitze-Tiefs bilden, die die antizyklonalen Strömungen verstärken.

Im Sommer reicht das Azoren-Hoch weit nach Osten, gleichzeitig befinden sich Hitze-Tiefs in der Sahara und in Vorderasien [Wagner 2001].

Konkret werden die auch als 'Meltemi' (türkisch) bezeichneten Etesienwinde oft durch ein Hoch über dem Balkan und ein Hitzetief in Anatolien angetrieben, denn "an der Ostflanke eines Hochs und an der Westflanke eines Tiefs [fließt] kalte Luft nach Süden" [Wikipedia-Artikel "Meltemi", Stand: 10. September 2014].

Dabei scheinen die Reliefunterschiede zwischen Meer und gebirgigem Festland verstärkend zu wirken.


Die Luft aus dem Norden wird als angenehm kühl empfunden. Laut Wagner 2001 sollen diese Winde vom eurasischen Kontinent aber auch sehr trocken sein und die Feuchtigkeit mit sich nehmen.

Die Etesienwinde wehen in mehreren saisonalen Perioden und hauptsächlich am Nachmittag. Nach Heinz Schamp strömen diese Luftmassen eigentlich dem sommerlichen Monsuntief im Südosten zu, das bekanntlich Teil der innertropischen Konvergenzzone (ITC) ist. Dann wären sie ein Teil der Passatzirkulation, die hier allerdings durch den indischen Monsun nach Südosten abgelenkt wird.
[Schamp 1962/63]




Quellenangaben

Heinz Schamp: Regelmäßige, periodische und lokale Winde. (in: E. Meynen (Hg.): Geographisches Taschenbuch 1962/63.)
Klaus Rother: Mediterrane Subtropen. Braunschweig, 1984.
Horst-Günter Wagner: Mittelmeerraum (Wissenschaftliche Länderkunden). Darmstadt, 2001.
Andrew Harding/ Jean Palutikof/ Tom Holt: The Climate System (in: Jamie Woodward (ed.): The Physical Geography of the Mediterranean. Oxford (USA), 2009.)
Eelco Rohling et al.: The Marine Environment - Present and Past (in: J. Woodward (ed.): The Physical Geography of the Mediterranean. Oxford (USA), 2009.)




Übersicht  


Der Klimaraum am Mittelmeer (Start)
Einige Klimadaten
Klassifikation des mediterranen Klimatyps