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Hochwasser am Mittelrhein

Das Flussregime des Rheins, die Großwetterlagen und der Klimawandel




Gegenmaßnahmen



Es genügt nicht, mit dem Hinweis abzuwinken, es gebe keine Mittel, die klimatisch und meteorologisch verursachten Hochwasserereignisse zu verhindern. Weltweit zu beherzigende Gegenmittel wären weitsichtige gesellschaftliche Ziele wie der Klimaschutz und die Abwendung der Betonierung der Erdoberfläche (mitsamt der Gewässerbetten).

Maßnahmen zur Schadensvermeidung wären des weiteren die überregionale Analyse und Verminderung von Risiken auf Planungsebene und der Bestandsschutz auf lokaler Ebene.



Überregionale Maßnahmen



Eine überregionale Risikovorsorge sollte drei Konzepte einbeziehen:

1. Konzept der Freihaltung von Überflutungsflächen:
Ausweisung von Überschwemmungsgebieten, Deichrückverlegung

2. Konzept der Drosselung der Abflussgeschwindigkeit des Rheins
Auenrückgewinnung, Nutzung ehemaliger Altarme des Rheines, Neuschaffung von Überflutungsräumen (Poldern) [BBU 1997]

3. Konzept der Wasserrückhaltung
technische Hochwasserrückhaltung, Renaturierung der Neben- und Zuflüsse, dezentrale Regenrückhaltung, Reduzierung der Flächenversiegelung



Ausweisung und Neuschaffung von Überflutungsflächen und Überschwemmungsgebieten


Schon seit Jahrzehnten werden zwischen den Rheinanliegern (Staaten und Ländern) Vereinbarungen getroffen, um Überschwemmungsgebiete als Rückhalteraum zu schaffen. Beispielsweise hatte "nach einem 1977 abgeschlossenen Verwaltungsabkommen zwischen der Bundesrepublik und den berührten Bundesländern ... Rheinland-Pfalz 44 Mio. mģ Rückhaltevolumen zu schaffen, an dem sich Hessen mit 20 % der Kosten zu beteiligen" hatte. [BBU 1997]

Während in der Pfälzer Ebene ziemlich problemlos Überflutungsflächen geschaffen werden können, ist das am Mittelrhein angeblich nicht möglich. - Als Retentionsräume und Renaturierungsflächen bieten sich aber zumindest die Mündungsgebiete einiger Nebenflüsse am Mittelrhein an; vor allem von der Ahrmündung bis Bad Breisig haben sich große Freiflächen erhalten.


Hochwasser an der Mündung der Nette gegenüber von Neuwied


Die "Intern. Kommission zum Schutz des Rheins" sieht bis 2020 eine Reaktivierung von 160 kmē Überschwemmungsgebieten am Rhein vor - davon wurden bislang keine Flächen am Mittelrhein ausgewiesen, der größte Flächenanteil entfiel bisher auf den Deltarhein in den Niederlanden.

Die von der IKSR nach Empfehlung der EU vorgesehenen Maßnahmen beziehen auch in verstärktem Maße die Gebiete außerhalb der Flussaue ein, insbesondere sollen 1.000 kmē Überschwemmungsgebiete an den Zuflüssen des Einzugsgebietes geschaffen werden, ein Vielfaches der unmittelbar am Rhein auszuweisenden 160 kmē. [IKSR: "Wasserrückhalte-Ziele bis 2020"]



Drosselung der Abflussgeschwindigkeit des Rheins


Eine künstliche Regulierung von Hochwasserwellen kann durch Einlassbauwerke in Polder und Altarme erreicht werden, die erst von einem bestimmten Wasserstand an aktiviert werden.
Hier wird also gleichzeitig das Konzept der Wasserrückhaltung miteinbezogen.

Der Bau von Poldern war aber häufig mit einem weiteren technischen Ausbau des Gewässers verbunden. Wichtig ist hier jedoch die Schaffung von Flachwasserzonen im Uferbereich, also die Aufweitung des Gewässerprofils. - Solche Uferzonen und Retentionsräume können im Interesse der Schiffahrt ebenfalls befestigt werden - mit Hilfe von Buhnen und Lebendbau.

Renaturierung ist gleichbedeutend mit einer Entwicklung von Auenwäldern. Diese vertragen einerseits keine Wasserstände über 2,5 m, benötigen aber andererseits, um nicht auszutrocknen, eine ziemlich regelmäßige Flutung [Wolfgang Blum 1994].

Auch bei der Rückverlegung von Dämmen sind ökologisch angepasste Bedingungen in den Poldern vorzusehen.


Auwaldreste




Wasserrückhaltung und Verminderung der Flächenversiegelung


Eine dezentrale Hochwasser-Vorsorge soll mit Hilfe eines Netzes von Flutmulden in den Einzugsgebieten und mit Hilfe der Verminderung der Abflüsse von landwirtschaftlichen Flächen durch Änderung der Bewirtschaftungsweise erreicht werden.

Derartige kommunalen Konzepte zur systematischen Verminderung der Regenwasser-Abflüsse auch im bebauten Bereich scheinen im Rahmen wirtschaftlicher Interessen und politischer Spiegelfechtereien verloren gegangen zu sein.

Auch die Anwohner des Mittelrheintales verlassen sich hierbei viel zu sehr auf ihre Oberlieger - die Bewohner der Pfalz und Baden-Württembergs. Jedenfalls werden in Bad Breisig die Niederungen gnadenlos betoniert und die Neubausiedlungen an den Talhängen hemmungslos zugepflastert. Die Ressourcen an Verbundsteinpflaster scheinen unerschöpflich zu sein.


Das Konzept der Wasserrückhaltung beruht auf der Einbeziehung des gesamten Umlandes oder Einzugsgebietes. So werden von der "Intern. Kommission zum Schutz des Rheins" als "Ziele bis 2020" angegeben: "Renaturierung von Fließgewässern auf einer Länge von 11.000 km, Extensivierung der Landwirtschaft auf 3.900 kmē, Naturentwicklung und Aufforstung auf 3.500 kmē, Förderung der Niederschlagsversickerung auf 2.500 kmē und Begrenzung weiterer Versiegelung im Rheineinzugsgebiet".
Allerdings setzt man offenbar zusätzlich auf technische Anlagen zur Hochwasserrückhaltung, die bis 2020 knapp 440 Millionen Kubikmeter Wasser fassen sollen.



Lokale Maßnahmen



Die IKSR spricht von "Hochwasserschutzanlagen auf 430 km Länge" in Deutschland, die unentbehrlich sind und deshalb regelmäßig erhalten und in den nächsten Dekaden wohl auch verstärkt werden müssen.

Dabei handelt es sich weniger um den Schutz vor höheren Scheitelabflüssen als um einen Schutz vor immer häufigeren Hochwässern und einer dadurch verursachten lang anhaltenden Aufweichung des Baugrundes.

Und es geht nicht immer allein um die Abwehr von Hochwasser: innerhalb des neuen Hochwasserschutzkonzeptes für Köln erreichten die Kosten für die Abwehr des städtischen Abwassers mehr als das doppelte der Kosten für reine Schutzmaßnahmen (wie Erhöhung von Dämmen, Mauern, mobilen Wänden). Sie scheinen sich aber über Abwassergebühren finanzieren zu lassen. [Hubertus Oelmann 1997]


In Rheinanlieger-Gemeinden, in welchen keine Flächennutzungsplanung und kein adäquater Hochwasserschutz vorgenommen wird, müssen angesichts des zunehmenden Risikos die Haus- und Grundstücksbesitzer selbst die Instandhaltung und Verstärkung von Ufermauern in Angriff nehmen und für neue Schutzmauern um Gebäude, Keller und Tiefgaragen sorgen.


Verschiedentlich wird besonderer Wert auf eine rechtzeitige Hochwasser-Vorhersage gelegt, die wohl durch Pegel-Büros gewährleistet werden soll. Dagegen ist einzuwenden, dass die Meldung des entsprechenden Pegelstandes in Kommunen, die sonst nichts gegen Hochwasser tuen, bestenfalls eine fluchtartige Evakuierung möglich machen.


Mancherorts werden in der Hochwasser-Zeit auch Flugblätter ausgegeben, die auf besondere Gefahren im Zusammenhang mit Hochwasser hinweisen:
- selbst, wenn der eigene Wohnbereich nicht geflutet wird, können Strom und Heizung ausfallen - deshalb Kerzen, Spirituskocher und Campinggas bereithalten !
- und wenn die Fluten im Treppenhaus stehen, ist zu beachten, dass elektrische Apparaturen in Gefahr sind, und dass Wasser Elektrizität leitet - der Strom muss rechtzeitig abgeklemmt werden !




Gesetzliche Bestimmungen



Die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten erfolgt mit den Mitteln der Raumordnungs- und Landesentwicklungsplanung auf Grund des "höchsten jemals aufgetretenen Hochwassers (HHW)" [BBU 1997].

Das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) wurde erst nach den schweren Überschwemmungen 1993 und 1995 so ergänzt, daß zu den wasserwirtschaftlichen Aufgaben der Länder nach WHG § 32 auch die "Erhaltung natürlicher Rückhalteflächen" gehören soll. [Nikolaus Geiler 1997]

Bereits in einem Grundsatzparagraphen sollte verankert werden, daß bei der Durchführung wasserwirtschaftlicher Maßnahmen "jedermann" verpflichtet sei, "eine Vergrößerung des Wasserabflusses zu vermeiden" (vgl. WHG § 1 a (2)). - Das ist allerdings lediglich ein Aufruf zur Sorgfalt bei Eingriffen, und kein Aufruf zu Vorsorge-Maßnahmen; hier soll also offenbar ein weiterer Gewässerausbau nach WHG § 31 Voraussetzung einer Hochwasservorsorge sein.

Von der "Intern. Kommission zum Schutz des Rheins" wird dagegen empfohlen, sogar vor Inangriffnahme von Sanierungsmaßnahmen an Deichen "die Möglichkeit einer eventuellen Rückverlegung" zu prüfen [IKSR: "Technischer Hochwasser-Schutz bis 2020"].


Ergänzende Regelungen in anderen Bereichen des Rechts (im Planungs-, Bau- und Umweltrecht) kann ich hier nicht im Einzelnen behandeln, auf jeden Fall wird auf Grund der hohen volkswirtschaftlichen Kosten, die Hochwässer verursachen, eine dezentrale Regenwasser-Rückhaltung angestrebt. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass ein vorausplanender Hochwasserschutz auch für kleinere Gewässer sinnvoll ist.

Vielleicht kann für die auf allen Flächen notwendige Regenrückhaltung eine EU-Vorgabe Maßstäbe setzen, zur Zeit existiert eine "EG-Richtlinie über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken (HWRM-RL)".






Quellenangaben




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