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Der Inhalt

Der Autor kommt schon im Vorwort zur Sache, einer globalen Agrartechnologie nämlich, deren Aktivitäten er selber nachgerade fast  n i c h t s  entgegen zu setzen hat.

Sein Verdienst liegt lediglich darin, den Leser über diese Agrar-Fakten gleich im zweiten Absatz aufzuklären:

“Inzwischen werden gentechnisch veränderte Pflanzen in mehr als einem Dutzend außereuropäischer Industrie- und Entwicklungsländer auf einer Gesamtfläche von der Größe Brasiliens angebaut. [In den Schwellenländern ist Gentechnik bei Managern, Großgrundbesitzern und ihren Abhängigen also Kult.] Der wirtschaftliche Gewinn kommt nach ersten Analysen vor allem den Kleinbauern [hört hört] zugute, der ökologische Gewinn durch den verringerten Einsatz umweltschädigender Pflanzenschutzmittel ist erheblich.”

In einem späteren Kapitel wird dieser beispiellose Erfolg der Gentechnik-Branche weiter konkretisiert:

“Bereits innerhalb von zehn Jahren nach der ersten kommerziellen Nutzung von gentechnisch veränderten Pflanzen im Jahre 1994 ist die Anbaufläche in den acht wichtigsten Anbaustaaten (USA, Argentinien, Kanada, Brasilien, China, Paraguay, Indien und Südafrika) auf 81 Millionen Hektar, also etwa das Zwanzigfache der Gesamtfläche Deutschlands, angestiegen. Insgesamt bauen derzeit rund 8 Millionen Bauern in 17 Ländern gentechnisch veränderte Pflanzen an.”


Den Rest der Ausführungen dieses Buches kann sich der Leser eigentlich sparen, zumal, wenn er praktisches Wissen zur Lösung des Ernährungsproblems sammeln will. - Es ist wirklich eines der abscheulichsten Druckerzeugnisse, die ich je gelesen habe.


Es folgt noch eine zusätzliche Einleitung, in welcher sich der Autor zu einer radikalen Lösung des Bevölkerungsproblems bekennt, denn der Überfluss der Eliten werde nicht für die Vielen ausreichen: “Ich sehe keine andere Lösung, als das Wachstum der menschlichen Erdbevölkerung sehr bald in einer möglichst scharfen Kurve zu beenden.”

... und er bekennt sich zu einer ebenso radikalen Lösung des Ernährungsproblems, denn als “geeignete technische Mittel” sieht er “vor allem den Einsatz von Gentechnik”, weil “Zahlen, Statistiken, Prognosen und ungenügend abgesicherte Hypothesen” dem Ressourcenschutz “eher geschadet als genützt” hätten.


Dementsprechend widmet sich das erste Kapitel dem Thema “Menschliche Bevölkerung und ökologische Folgen“. Auf den Zusammenhang mit der Welternährung wird nur punktuell eingegangen, doch richtig darauf hingewiesen, dass die gegenwärtige, “regional begrenzte Überschussproduktion” prozentual nicht sehr hoch und immer wieder schnell aufgebraucht ist.


Die aktuelle Bevölkerungsexplosion wird ursächlich mit der wissenschaftlich-technischen Revolution in Verbindung gebracht; diese werde auch in Zukunft unabdingbar bleiben. Klaus Hahlbrock betont, dass sie “nicht rückgängig zu machende Umwälzungen der gesamten menschlichen Lebensweise” hervorgerufen hat.

Er ist verwundert ... : “Wir befinden uns in einem Stadium ungewöhnlich tiefwurzelnder Fortschrittsfeindlichkeit.” ... “und es wird übersehen, dass es zu Fortschritt grundsätzlich keine Alternative gibt. Fortschritt ist die zwangsläufige Folge eines Naturgesetzes ..” Sind denn damit nicht auch die Reformen und Revolutionen der fortschrittlichen Eliten ein Naturgesetz!

Es folgen weitere Erklärungen: “Evolution .. ist ein nicht umkehrbarer Prozeß ..” Dabei handele es sich nicht einfach um einen zeitabhängigen Ablauf, sondern auf jeden Fall auch um einen qualitativen Vorgang. Man möchte es angesichts der überall in der menschlichen Gesellschaft zutage tretenden Devolution nicht glauben!


Der den Laboren entstammende evolutionäre Fortschritt geht selbstverständlich vor Natur- und Ressourcenschutz, was sich natürlich durch die kurze Definition von Naturschutz als Selbstschutz (“ICH bin die Natur”) begründen lässt.

Später soll das Lippenbekenntnis zum Naturschutz jeweils weitere Argumente für die Gentechnik liefern.


Der tief greifende Konflikt zwischen der Landwirtschaft, deren fort- oder je nach Sichtweise rückschrittlichste Methoden der Autor in seinen historischen Exkursen umreißt, und der Schädigung der Umwelt wird angeprangert.

Man weiß um die “intensive menschliche Pflege”, die die Pflanze benötigt, um sie “gegen natürliche Konkurrenten (Unkräuter) und Feinde (vor allem Insekten und Krankheitserreger)” zu schützen durch “Einsatz großer Mengen” von Agrarchemie und “beschleunigte Züchtung” ...


Nach diesem Ansturm revolutionärer Ideen soll sich der Schüler im zweiten historischen Kapitel erholen. Hier darf er sich als Kardinalpunkte der menschlichen Entwicklung merken: den aufrechten Gang, Sesshaftigkeit und als Höhepunkt Wissenschaft und Technik. Diese Entwicklungsgeschichte mag aber eher dem curriculum vitae des Autors entsprechen; es gibt genügend andere Menschen, die auch mit dem aufrechten Gang ganz gut leben konnten.


Immer wieder von Interesse ist das im dritten Kapitel angesprochene Thema “Der Mensch in seiner Umwelt ”, auch wenn es leider gar keine richtigen Menschen und gar keine richtige Umwelt mehr gibt.

Mit der Aussage, der Mensch habe die biologische Rolle der Raubtiere am Ende der Nahrungsketten übernommen, offenbart der Urheber sein Selbstbild als Raubtier. Der Mensch habe sich sogar gegenüber diesen Lebewesen schließlich als überlegen erwiesen, die “lediglich die besonders deutlich wahrnehmbare Spitze der schrumpfenden Artenpyramide” waren. In diesem Kontext recht unlogisch ist nun die Folgerung, der Erfolg des Menschen mache ihn zum “Hüter der Biosphäre”.

Die neolithische und wissenschaftlich-technische Revolution bezeichnen angeblich jeweils die “Übergänge von einer überwundenen zu einer fortgeschritteneren Lebensform”. Immer wieder wird die große Bedeutung der sog. wissenschaftlich-technische Revolution als Lehrsatz eingepaukt; im Diskurs des Autors wird sie gleichsam als der Beginn der jüngsten Phase des Evolutionismus gezeichnet.

Es folgen noch weitere seitenlange Aneinanderreihungen von Gemeinplätzen des Bildungsbürgers.





Im Schnellschritt wird die Umwelt gestreift:

Der Zellforscher gesteht unumwunden ein, dass man es in der Landwirtschaft mit “instabilen Populationen” zu tun hat - zu denen aber gegebenenfalls natürlich auch seine gentechnisch veränderten Organismen zu rechnen wären!

Als Massenkulturen bilden Nutzpflanzen die Entwicklungszentren für Krankheitserreger und Schädlinge, die häufig durch den globalen Austausch von Pflanzenmaterial auch eingeschleppt werden; und gerade durch “weitgehend normierte Anbauverfahren” haben sich bestimmte “Unkräuter, Schädlinge und Krankheitserreger stark ausgebreitet”.

Dieses immer instabiler werdende biologische Gleichgewicht könne “nur mit den Mitteln der Wissenschaftlich-technischen Revolution aufrechterhalten werden”. Da wird man sich verzweifelt fragen: Wie denn?


Für den Fall, dass sich ein dummer Bauer in die Vorlesung verirrt hat, heißt es: “In der Weltwirtschaft steht die Landwirtschaft an Umfang und Bedeutung mit Abstand an erster Stelle” und, “dass er das Land bewirtschaftet, aber auch ‘bewirtet’” [hick !!!]. Die ‘wissenschaftliche Agrarchemie’ hilft dem Bauern, indem sie die ‘wirtschaftlichen Rahmenbedingungen’ ändert.

Herr Hahlbrock, der immerhin eine Funktion am Max-Planck-Institut in Köln innehatte, behauptet, dass “Pflanzen außer Kohlenstoff und einem Teil des Sauerstoffs ... alle Grundstoffe ... in mineralischer (anorganischer) Form aus dem Boden beziehen.” Da verschlägt es einem die Sprache; nirgendwo vermerkt diese angebliche Kapazität der Biochemie, dass die nur vorübergehend in die Bodenlösung abgegebenen Stickstoff-Formen eigentlich organisch gebunden sind. Bewusst irreführend ist von “Bodennährstoffen, einschließlich Stickstoff” die Rede, obwohl letzterer eben kein Bodennährstoff ist.

Nachhaltige Unkrautbekämpfung bedeutet hier den Einsatz chemischer Unkrautbekämpfungsmittel - und als wichtigstes Ziel der Züchtung die Herbizid-Veträglichkeit der Kulturpflanzen!


“Während die Weizenerträge seit Beginn der Neolithischen Revolution insgesamt etwa um das 20fache gestiegen sind, ist die menschliche Bevölkerung im gleichen Zeitraum auf das 600fache, also 30mal so stark, angewachsen.”

Die Möglichkeiten zur “Ausweitung der Anbauflächen” sind erschöpft, und “kaum wesentlich weiter entfernt dürften die Grenzen dessen liegen, was in Europa und Nordamerika mit Düngung und chemischem Pflanzenschutz unter bisherigen Bedingungen erreichbar ist.”

Ein Problem dürfte auch in den hohen Investitionskosten der Agrartechnologie (Bsp. Erntemaschine) liegen, die eine rasche Amortisation durch intensiven Anbau ganz bestimmter marktgängiger Kulturen verlangen.


Während sich der größte Teil des Buches (Kapitel 4 bis 7) einer allgemein verständlichen Darstellung von Züchtung und Gentechnik widmet, wird auf eine ausgewogene Darstellung der Möglichkeiten zur Sicherung der Welternährung überhaupt nicht oder nur pro forma im 8. Kapitel mit dem erhabenen Titel “Grundvoraussetzungen für die Sicherung der menschlichen Ernährung” eingegangen.

Da infolge des weiterhin gewaltigen Bevölkerungswachstums ein dringender Handlungsbedarf besteht, wird als Patentrezept auf die Erfolge der “Grünen Revolution” seit 60 Jahren verwiesen. Parallel zum stärksten Bevölkerungswachstum in der Geschichte der Menschheit seien auch die höchsten Ertragssteigerungen bei den Hauptnahrungsmitteln Weizen, Reis und Mais erreicht worden.

Nach Ansicht des Autors ist die Welternährung einzig und allein durch Züchtung, Gentechnik und Agrarchemie zu gewährleisten. Andere konstruktive Lösungsansätze werden von ihm ebensowenig wie vom politischen Mainstream auch nur in Erwägung gezogen.

Es wird in diesem Kapitel also deutlich, dass der Autor wie das Gros seiner Zeitgenossen nicht das geringste Verständnis für natürliche Lebensprozesse, ein vernünftiges Management und die vernünftige Nutzung natürlicher Ressourcen besitzt.


Ich glaube, dass der Autor außerdem ziemlich weit neben der Realität liegt, wenn er behauptet, dass “die Nahrungsproduktion, einschließlich der Brandrodung” mehr “zu möglichen großräumigen Klimaveränderungen bei[trage] als jede andere Wirtschaftsform”.

Vielmehr dürften jene anderen Wirtschaftsformen einschließlich der Finanzdienstleister und der von diesen protegierten “Zukunftstechnologien” lediglich vorgeben, durch ihre globalen Eingriffe in die Umwelt die Nahrungsproduktion zu gewährleisten.


Ein in diesem Kapitel angeführtes Beispiel mag aber den Bedarf nach biotechnischen Lösungen deutlich machen: China habe seine landwirtschaftliche Produktion seit der Zwangskollektivierung, die von Millionen Hungertoten begleitet gewesen sei, vervierfachen können; inzwischen werden die landwirtschaftlichen Nutzflächen aber wie in den westlichen Ländern zunehmend durch Verkehrs- und Siedlungsflächen dezimiert. Der gewaltige Bevölkerungsdruck in China wird durch das Versiegen des Gelben Flusses im Norden verdeutlicht, ausgelöst durch die übergroße Grundwasserentnahme einer Bevölkerung von 100 Millionen Menschen.

Wenn die Menschheit durch flächendeckende Urbanisierung und Ausweitung des Autoverkehrs die agrarisch nutzbaren Räume in globalem Maßstab zerstört, wird es allerdings keine Alternative zur Erzeugung vollständig künstlicher Nahrung geben.

Diese Produktion sollte aber nicht in Räumen erfolgen, die noch auf traditionelle oder angepasste Weise genutzt werden können, um nicht ihr biologisches Potential beispielsweise durch gentechnisch veränderte Lebewesen zu zerstören. Sondern sie sollte im urbanen Bereich mit Hilfe von Reaktoren, wie sie auch beim Bierbrauen eingesetzt werden, erfolgen.

In diesem Sinne könnte Biotechnologie die Umwelt vor einer “weiteren Ausdehnung der Landwirtschaft”, wie sie heute betrieben wird, bewahren.


Bewahre uns Gott davor, dass irgendjemand aus dem Humbug dieses Buches auch noch “Schlussfolgerungen für die Praxis” ziehen wollte, wie es das 9. Kapitel unter diesem Titel androht. Aber die zentralen Forderungen für die Praxis der Anwendung der Gentechnik werden hier tatsächlich erwähnt:

- “Erhaltung einer lebensfähigen Biosphäre”

- “Schutz von Arten vor absichtlicher oder unabsichtlicher genetischer Veränderung durch den Menschen”.



Copyright © 17.4.2009 St. Th. Hahn






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