Menschliches Sozialverhalten
Bei den tansanianischen Hazda bilden von den Frauen gesammelte und gekochte Wurzel-Knollen die Hauptnahrung, ergänzt durch das erbeutete Fleisch der jagenden Männer.
(Eine ökologische Variante dieser Arbeitsteilung scheint in den nördlichen Breiten mit einem großen Mangel an Pflanzennahrung für den Menschen entstanden zu sein, wodurch der männliche Jäger eine dominierende Rolle erlangte.)
Sherwood Washburn beschreibe den Sachverhalt als "Ausweitung der sozialen Kerngruppe .. - Mutter und Junges - um ein Männchen" (mit der Fähigkeit zum Jagen).
Die effizientere Nahrungsverwertung durch das Kochen erleichterte den Frauen die Brutpflege.
Nach meiner Interpretation kann die Nahrungszubereitung den Frauen auch zu einer besonderen und willkommenen sozialen Funktion verholfen haben.
Dass Menschengruppen die Nahrungsmittel für ein gemeinschaftliches Familienessen vorhalten und verteilen, sei ein Menschen-typisches Verhalten, das bei keiner anderen Primaten-Art vorkomme.
Wrangham kann eine tierethologische Erklärung für dieses Verhalten liefern:
Die Gewöhnung an das Kochen hatte eine gewisse Hortung von Nahrung zur Voraussetzung. Er glaubt, es sei nur deshalb zu dauerhaften Paar- (und Familien-) Bindungen gekommen, um die gesammelten Nahrungsmittel vor Diebstahl zu schützen, der natürlich vorwiegend von den stärkeren Männchen ausging. Nur bei den Bonobos hätten die Weibchen ein gewisses Durchsetzungsvermögen erreicht, was Wrangham für die menschliche Abstammungslinie verneint.
Der von den Frauen besorgte "Hausstand" sei gerade in kleinen Stämmen für die Männer lebensnotwendig und Frauenraub der unfreiwilligen Junggesellen eine allgemein gefürchtete Folge.
Die Verpflichtung der Frauen zum Bekochen ihrer Ehegatten ist bei den verschiedensten Völkern fester Standard; dass eine Frau irgendjemandem außerhalb ihres Familienkreises Essen gebe, verstoße gegen den Sittenkodex; gemeinsames Essen gilt oft auch als Hochzeitzeremonie.
Merkwürdig ist, dass ein festes sittliches Prinzip existierte, das das Sammelgut der Frau zu ihrem Eigentum machte, den Mann aber verpflichtete, die Jagdbeute in der Gemeinschaft zu teilen; bei Festlichkeiten (Jagdfesten) wurde oft auch von den Männern gekocht.
Wrangham schreibt die Kompetenz des Kochens eher dem weiblichen Part zu, welcher den heimkommenden hungrigen Jägern ein verzehrfähiges Mahl bereitstelle; denn die Jagd sei erst durch diesen Zeitgewinn möglich geworden.
Diese angebliche, über Jahrtausende der Entwicklung entstandene Arbeitsteilung zwischen Frau und Mann bzw. Sammlerin-Köchin und Jäger wird allerdings in der Moderne variiert und aufgelöst: Realität ist ja oft, dass Männer (Gastronomen) kochen müssen, während Frauen mit Anhang dann in den hochpreisigen Etablissements dieser Köche speisen - ganz gleich, wie es schmeckt und was es kostet.
Wenn Wrangham die Nahrungsbeschaffung und -zubereitung als exklusive, aber untergeordnete Tätigkeit der Frauen darstellt, dann wäre die einzige erfolgversprechende Abhilfe für Frauen, diese Tätigkeit aufzuwerten.
Der Autor räumt anhand von Beispielen aus Australien und Neuguinea mit der Vorstellung auf, dass Frauen durch die eheliche Beziehung einen besseren Versorgungsgrad erreichten - in Wirklichkeit taten dies die Männer: Erst durch die Schaffung eines Hausstandes mit zahlreichen Frauen konnten einige von ihnen eine ihnen angenehme Wirtschaftsleistung erzielen. Es handelt sich also eher um eine Raubbeziehung als um eine Tauschbeziehung dieser Männer, die außerdem auch andere Männer schädigt, die beispielsweise nur ehelichen Zugang zu alten Witwen erhalten.
Allerdings profitierte der weibliche Part von der Unterstützung einer Gemeinschaft, die von den Männern beherrscht wurde.
Allen Ernstes glaubt der Autor, in diesem System gehe es nicht um Sex, sondern um die Versorgung mit gekochter Nahrung.
Schluss
Die Entwicklung zu übergewichtigen Konsumenten ausschließlich energieaufwändig erzeugter (gekochter) Kunstprodukte wäre wohl kaum ein erstrebenswerter evolutionärer Fortschritt.
Alles in allem liefert Wrangham auch selber eine Reihe von Argumenten, die die angeblich entscheidende Bedeutung gekochter Nahrung für die menschliche Evolution auf einen eher subalternen Wert reduzieren.
Wenn jemand sich als Freund der "auf grausame Weise" erzeugten 'foie gras' outet, kann man ihm leichthin entgegnen, dass ein Salat ebensogroßen Genuss liefern kann, von dem man aber weit mehr hat, weil man ihn in größeren Mengen verzehren muss.
Die Entwicklung einer Esskultur mit viel Rohkost auf Grundlage allgemein beachteter hygienischer und epidemiologischer Standards ist ein weit größerer evolutionärer Fortschritt als die Rückbesinnung auf die mythischen Lagerfeuer des Frühmenschen.
Man kann Vieles roh essen; interessant bei obigen Ausführungen ist daher nur der Aspekt, dass im Falle einer Knappheit an Nahrung durch Kochen eine bessere Verwertung erfolgen soll. Man könnte aber auch der Auffassung sein, dass Nahrung durch Kochen einen Teil seiner energetischen Wertigkeit einbüßt und nur schwer im Magen liegt. - Wenn genug Nahrung vorhanden ist, könnte man sie roh essen, um kostspielige oder arbeitsaufwändige Energie einzusparen und gleichzeitig schlank zu bleiben.
Ich finde, es wäre verderblich, die instinktive Vorliebe für Rohkost und Früchte wegen des in ihnen vorhandenen Wassers schlechtzumachen, weil sie als Durstlöscher sehr wertvoll sind.
Der Autor lässt auch völlig unberücksichtigt, inwiefern Rohkost wegen der durch Kochen denaturierten Vitamine lebensnotwendig ist und inwieweit für den heutigen Menschen sogar mancherlei gekochte Nahrungsmittel unverträglich sein könnten.
Unbeantwortet blieb auch die Frage, warum Grasfresser derartig beachtliche Körperleistungen erreichen (auch wenn sie fast ständig fressen). Sogar die waldbewohnenden Herbivoren scheinen trotz des relativen Mangels an krautigen Nahrungspflanzen erstaunlich gut über die Runden zu kommen. - Dies ist allerdings teilweise darauf zurückzuführen, dass sie über ihre Nahrung mit Symbionten in Kontakt gekommen sind, die diese in ihren Wiederkäuermägen optimal aufschließen können.
EXKURS Die Beute
Der Fuchs raubt gern Nester aus. Dasselbe tun auch Krähen und andere böse Vögel. Ebenso die kleinen Räuber Dachs, Iltis, Marder, Waschbär und die kuscheligen Bilche und Hamster.
Der Mensch isst die Eier aber lieber hart gekocht. Dafür nimmt er in Kauf, dass schon mal eine Pipeline explodiert oder ein Atomkraftwerk havariert.
Der Mensch wurde erst dadurch groß, dass es ihm gelang, immer größere Mengen an Nahrung aufzubereiten und zu vertilgen.
Der Mensch erlegte alles, was viel Fleisch hergab. Also auch das sanfte Reh.
Und wehe, wenn dieses an seinen Saaten und Setzlingen knabbert.
Ob uns die armen Wiederkäuer, die zwar ebenfalls große Esser sind, aber meistens nur nährstoffarme Pflanzenteile zur Verfügung haben, um das Salz und die Gewürze beneiden?
Ob der Hund, der sonst Aas und rohes Fleisch verlangt, sich an unsere zivilatorischen Normen gewöhnt hat, wenn er sich so sittsam und bescheiden gibt?
Ob die großen Elefanten und die kleinen Vögel, die sich beide gerne einen antrinken, mit uns seelenverwandt sind?
Warum aber halten es hier noch Pferde aus, sind sie doch die größten Asketen, was das Essen angeht - es kann ihnen gar nicht trocken und eintönig genug sein. Da fragt man sich, wie sie bei dieser Diät trotzdem eine solche Körpergröße erreichen. Außerdem sind sie der Beweis, dass es nicht an der Qualität der Nahrung liegen muss, wenn sich das Schädelvolumen vergrößert.
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