Der Garaus für eine Allee


Die alten Eschen in Rheineck wurden gefällt

Am 11.2.2010 beobachtete ich, dass eine Firma namens "Baumpflege Ruthmann, Nettetal" schöne und dem Augenschein nach kerngesunde Eschenbäume unsachgemäß kappte.

Dass diese Frevelei ausgerechnet an Weiberfastnacht stattfand, einem Feiertag, an dem viele Schreibtische der Behörden unbesetzt blieben, führte dazu, dass ich keine zuständige Stelle und keinen Aufschub erreichen konnte.

Als ich den Eingriff einige Tage später (bei weniger Schneegestöber) fotografisch festhalten wollte, musste ich feststellten, dass die meisten Bäume inzwischen gänzlich beseitigt worden waren.



Landstraße bei Rheineck. © STH, 17.2.2010.


Bei dem Baumbestand hatte es sich um eine Allee starker und gerade gewachsener, alter Eschen gehandelt, die einen Stammumfang von mehr als 1 m erreicht hatten. Dem äußeren Anschein nach waren sie kaum von Stammschäden und Totholzbereichen betroffen (vgl. Fotodokumentation der Eschenallee im Sommer 2005).

Meine erste Befürchtung galt daher dem Szenario, dass die Allee deshalb entfernt wurde, um die Straße nach Waldorf zu verbreitern, wofür hier allerdings auch der Vinxtbach kanalisiert werden müsste.

Und tatsächlich ließ sich die auf den ersten Blick barbarische Baumfällung nicht auf Veranlassung der Stadtverwaltung zurückführen, sondern auf Betreiben des Landesbetriebs Mobilität bzw. der Straßenmeisterei Sinzig.

Als ich mich dort über die Gründe für diese Aktion erkundigte, war zu erfahren, dass sich an den gefällten Bäumen Faulstellen und Totäste gebildet hätten. Nach einem Windwurf am Campingplatz seien die Straßenbäume an der Landstraße nach Gönnersdorf von der Landespflegebehörde, also der Kreisverwaltung in Ahrweiler gutachterlich untersucht worden. Die Fällung sei folglich im Einvernehmen mit der Kreisverwaltung erfolgt.

Die Nachfrage bei der Kreisverwaltung ergab aber, dass es nur eine Ortsbegehung gegeben habe auf Grundlage einer Vorschlagsliste der Straßenbehörde, also des Landesbetriebes für Mobilität. Entgegen der ausdrücklichen Versicherung durch die Straßenmeisterei Sinzig ist das Gutachten also nicht von einer neutralen Stelle ausgegangen.

Bei der Kreisverwaltung teilte mir Frau Hellmann außerdem mit, dass die Bäume des Kreises lediglich nach der VTA-Methode ("Visual Tree Assessmant") kontrolliert werden. Eine eingehendere Kontrolle bei Verdacht eines Gefahrenrisikos durch Baumtomographie o.ä. sei viel zu aufwändig. Außerdem gebe es keinerlei gesetzliche Regelung, wie die Baumkontrolle zum Erreichen der Verkehrssicherheit zu erfolgen habe.


Ist so etwas notwendig ?

Offenbar hat die zunehmende Sturm- und Schneebruchgefahr die Straßenämter und Forstbetriebe dazu veranlasst, in diesem Jahr besonders viele Bäume zu fällen.

Nach einem Sturm kann man erst einschätzen, wie viele tote Bäume in den Wäldern stehen, die eher auf das Waldsterben-Syndrom zurückzuführen sind als auf den natürlichen Alterungsprozess alles Lebendigen. Die Bodenversauerung, wie sie die Waldschadenssymptome hervorruft, bedeutet gerade für die Bodenverankerung durch die Wurzeln ein wachsendes Risiko.

Da die Verkehrssicherungspflicht gilt (auch an Waldwegen), ist nahezu jeder Baum als Gefahr anzusehen und dem Ordnungswillen des Bürgers und seiner Organe preisgegeben.

Das gilt natürlich in besonderem Maße für die Ränder der Autostraßen; schließlich will es niemand zu verantworten haben, wenn vorbeirasende Autofahrer durch einen herabfallenden Starkast erschlagen werden.




Statikern sind leider gerade Alleen ein Dorn im Auge, weil sie dem Wind einen massiven Widerstand entgegensetzen. Es wird empfohlen, Alleen weit genug zu pflanzen, um für ausreichende Durchlässigkeit zu sorgen.

Allerdings bilden die größte Gefahr für die Verkehrssicherheit von Bäumen durch Orkan verursachte Torsionskräfte (Drehkräfte), die aber oft erst nach Freistellung durch Windwurf oder Fällung entstehen. Sie stellen dann nicht nur ein akutes Risikomoment dar, sondern bedeuten vor allem eine dauernd einwirkende Belastung der Holzphysiologie und Statik.

Durch die unten auf dem Photo dargestellte Kappung wird nicht nur eine einseitige Krone verursacht, die durch die Schwerkraft die Statik negativ verändert. Die starken freistehenden Äste werden nach der Wiederbelaubung wie ein Hebel bei Sturm stärkste Torsionskräfte freisetzen und bedeuten insofern eine unnötige Belastung der Holz- und der Wurzelphysiologie.

Der Baum macht den Eindruck, als sei er versehentlich gekappt worden und auf den Wink vom Chef dann doch stehen gelassen worden (vgl. auch meine Dokumentation der Baumpflege).



Landstraße bei Rheineck. © STH, 17.2.2010.


Baumreihen und Alleen werden in der Bundesrepublik nach der Roten Liste der Biotope als "gefährdet (Stufe 3)" eingestuft.

Diese Allee hatte aber zusätzlich eine Bodenschutz-Funktion: Straßenbäume wurden früher regelmäßig zur Befestigung talseitiger Straßenböschungen verwendet. Diese Situation ist hier in besonders ausgeprägter Weise gegeben, wo sich die Straße über steiler Böschung einen sehr engen Taleinschnitt mit dem Vinxtbach (sowie dem Campingplatz auf der anderen Bachseite) teilen muss.

Eschen sind wegen ihres raschen Jugendwachstums und ihrer tief und weit reichenden Wurzeln zur Böschungssicherung besonders geeignet. Nach Entfernung der Bäume ist die Böschung möglicherweise weniger verkehrssicher als vorher. Allerdings lässt die zu erwartende Regeneration aus dem intakten Wurzelsystem einen positiven Effekt auf den Lebendverbau erwarten. Diese Regeneration ist einem technischen Ausbau der Böschung sicher vorzuziehen.

Auch der Waldhang an der gegenüberliegenden Straßenseite wurde sehr gründlich freigeschnitten. Selbst wenn das Wurzelwerk die Böschungen zusammenhält, wird die Ausspülung bei Niederschlag durch die Entfernung des Kronendaches verstärkt.




Baumsolitäre diesen Ausmaßes werden an vielen Orten mit erheblichem Kostenaufwand geschützt und zu erhalten gesucht. Zu diesem Zweck wurden Baumschutzsatzungen erlassen, die die Entfernung großer Bäume (meist ab einem Stammunfang von 80 cm) genehmigungspflichtig machten. Städte wie Münster und Wuppertal haben den Baumschutz zur Erleichterung der Bürokratie wieder aufgehoben. Und an den Straßenrändern von Rheinland-Pfalz war wahrscheinlich nie ein Baumschutz vorgesehen.

Bei hohem Alter äußert sich die nachlassende Vitalität bei Bäumen durch verminderten Zuwachs und Absterbeerscheinungen sowohl in der Krone als auch im Wurzelsystems; dadurch erhöht sich das Verkehrsrisiko. Ob es sich bei dieser Eschenallee schon um Problembäume handelte, lässt sich durch meine Dokumentation einiger Baumstümpfe nur teilweise bestätigen.

Gerade wenn aus Gründen der Verkehrssicherheit alle alten Bäume entfernt werden sollen, werden die wenigen, die übrig bleiben, um so erhaltenswerter. Diese Baumreihe hätte viel zum Ortsbild von Niederbreisig beigetragen, wie an einigen erhaltenen Fotos vom Sommer 2005 zu sehen ist.

Andererseits würde auch ich es begrüßen, wenn Straßenbäume und speziell Eschen auch einmal als Nutzholz betrachtet würden und in einem bestimmten Umtrieb zur weiteren Verwertung gefällt würden.



Die Baumstümpfe

Die Baum"pflege"

Der Baumbestand vorher und nachher



Die vollständige Dokumentation und die Original-Bilddateien stelle ich Ihnen gegen einen Unkostenbeitrag gerne zur Verfügung.



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