Vogonische [->]  Kultureinflüsse in Europa  - 


Drängeln ...


„Wer die Kontrolle über seinen PKW verliert, nur weil jemand sehr schnell, sehr dicht auffährt, hat wohl nicht die erforderlichen Eigenschaften zur Führung eines Kraftfahrzeuges.“

Dieses Zitat ist so erbärmlich, dass sich jeder Kommentar erübrigt. Allerdings ist es von zentraler Bedeutung für das geheime Dogma des Auto-Kultes, in dem der Sachwert des auffahrenden Autos vor der körperlichen Unversehrtheit des möglicherweise zu langsam Fahrenden rangiert.

„Wenn du deine Bremse antippst, erfüllst du den Straftatbestand der Nötigung und bist definitiv nicht geeignet, einen Pkw zu führen.“

Das Gesetz des Autobumsers, der die totale Unterwerfung liebt, scheint eine enorme Wirkung auf das Unterbewusstsein aller Autofahrer gehabt zu haben. Meiner Ansicht nach glaubt ein Teil der deutschen Verkehrsteilnehmer an die Richtigkeit dieses merkwürdigen Statements.


Kein Mensch wird in dieser Situation auf die Bremse treten – eher wird er/ sie Gas geben, oder, wenn er/ sie sich auf der linken Fahrspur befindet, nach rechts ausweichen. Doch auch in diesem Falle fühlen sich schnelle Fahrer/innen in ihren Rechten eingeschränkt - neuerdings ist nämlich das Rechtsüberholen Mode geworden.


Einige Tage nach meinem Unfall bemerkte ich wenige Meter vor einer Ortsdurchfahrt, zu der sich eine zweispurige Schnellstraße trichterförmig verengte, eine Luxuslimousine im Rückspiegel, die sich mit enormer Geschwindigkeit näherte. Panikartig beschleunigte ich, um den Aufprall abzumildern. Erst im letzten Augenblick bemerkte ich, dass das Fahrzeug nicht abbremsen, sondern an mir vorbei wollte. Mit etwa 120 km/h schrappte es auf der offiziell schon einspurigen Fahrbahn an der Leitplanke auf dem Seitenstreifen vorbei. - Natürlich erfüllte ich auch in diesem Fall „den Straftatbestand der Nötigung“ und war in den Augen schnell fahrender Pharisäer „definitiv nicht geeignet, einen Pkw zu führen“ ...

Baff und starren Blickes schaffte ich es, mir seine Nummer zu merken. Als ich auf der Polizeiwache zwecks Strafanzeige zu Protokoll gab, mich habe diese Fahrweise traumatisiert, äußerte der Beamte, das könne zur Folge haben, dass mir nach einer psychologischen Untersuchung die Fahrerlaubnis entzogen werde.

Das ist nicht nur unverschämt, das ist Infamie. Ich spiele mit dem Gedanken, ein Dienstaufsichtsverfahren anzustrengen.

Was aber der Extremraser zu erwarten habe? - Einen Punkt in Flensburg und 50 Euro Bußgeld ...



Bei derart lächerlicher Strafen wird sich der Kult des Vergasers ins Uferlose ausweiten. Mit den neuen Modellen können die Fahrzeuge älterer Bauart und geringerer Leistung von den Straßen gebombt werden. Das bedeutet den sicheren Konjunkturaufschwung.

Warum aber ergab mein Nachrechnen des Vorfalls auf dem praktischen   Bußgeldrechner   bei   www.fahrschule24.net   das doch schon relativ abschreckende Ergebnis von 4 Punkten und 150,- Euro Bußgeld nur für die Geschwindigkeitsüberschreitung ...


Bei einer Dunkelziffer von 1 : 20 bis 1 : 100 der zur Anzeige gebrachten gefährlichen Verkehrsdelikte kann ein Verkehrsrowdy ohnehin locker ein Dutzend schwerer Verkehrsunfälle provozieren, bis ihm über seine Punktesammlung in Flensburg die Fahrerlaubnis entzogen wird. Ein Menschenleben ist im Wertesystem des Auto-Kultes keinen Pfifferling wert.

In Deutschland kann man durch dichtes Auffahren beweisen, dass man wichtiger ist. Wen kümmert es, dass man ohne ersichtlichen Grund zu schnell fährt. Als Grund reicht doch völlig aus, dass man die Konjunktur antreibt und Umsatz schafft.


Der deutsche Autokult ist also in Wirklichkeit ein Kult der Prosperität. Der Prosperität wurden auch in den Kulten des Altertums schon Menschen geopfert, aber bestimmt nicht in diesen Massen ...



... und Rasen


„Wenn du schnelles Fahren als krank einschätzt, solltest du dir überlegen, ob eine andere Art der Fortbewegung besser wäre.“
Hier hat ein Autofahrer sein Denkorgan zu einem Bonmot gezwungen. - Ein Verbesserungsvorschlag wäre: „Rasen ist gesund.“


Das kollektive Unterbewusste im Straßenverkehr wird durch professionelle Verkehrssünder (Fahrer der gehobenen Fahrzeug-Klassen) erodiert, so dass Verkehrsregeln nicht mehr beachtet werden.

Die rot umrandeten Schilder zur Geschwindigkeitsbegrenzung gelten bestenfalls noch als Richtgeschwindigkeit. Das gilt besonders für die Beschilderung auf der Autobahn.

Als schlechtes Vorbild dienen all die BMWs und Daimler der Luxusklasse, die die Überholspuren verstopfen und alle paar Jahre abgeschrieben werden. Leute mit großen Vermögen hatten schon immer stärkere Rechte; heute können sie eben durchsetzen, auf ihren Lieblingsstrecken und anderswo über 200 km/h zu fahren. Niemals würden sie sich aber dem schwachsinnigen Pöbel anschließen, der verlangt, dass die anderen unbedingt runter von der Straße müssen ...


Aber sie haben willfährige Helfer, die dem Primat der Luxusklasse den gehörigen Respekt verschaffen, hauptsächlich, weil sie in ihrer Herstellungs- und Vertriebskette involviert sind.

„Ich seh schon kommen Opa und Oma verunglückt, weil sie bei 90 km/h von einem BMW M3 mit über 280 km/h überholt worden sind und durch das laute Geräusch des Sportauspuff und das schnelle Auftauchen und Verschwinden des PKW erschrocken sind und dadurch in die Leitplanke gerieten."
Wie sagte doch Sri Bubu: „Inständigster Wunsch des Blöden ist es, Neid zu erwecken.“

In Autoclubs gilt die Mörderattitude als Witzigkeit und soll geistvoll wirken ... Die Mitglieder geben sich in „ihren“ Internet-Foren nicht als der oder die Soundso zu erkennen, sondern als Autotyp soundso, Baujahr soundso. Das im Vergleich zu einem Menschenleben geringe Alter der Fahrzeuge macht sie zu Killer-Babys. Und das ist, was diese verrottete Gesellschaft in den Augen mancher ihrer Insassen braucht.



Das eigentliche Problem ist daher, dass Autos gebaut werden, die für einen sicheren Straßenverkehr zu schnell sind – eben Killer-Babys. Ein weiteres Problem ist, dass Autos gebaut werden, die ihren Besitzern einen Status verschaffen sollen.

„Wer sich so ein Fahrzeug leisten kann, soll doch auch was davon haben.“
Und das Ziel der Marketingabteilungen der Autoindustrie ist, dass dieser Spaß als Leckerchen von den Fahrern der unteren Autoklassen bezahlt werden soll (... wenn etwa ein Kratzer dran kommen sollte oder im Falle eines schweren Unfalls vielleicht sogar mit dem Leben ...) ...

Jenen soll das Recht genommen werden, so zu fahren wie es ihre Lebensumstände zulassen. Nur die Luxusklassen machen es möglich, in dreißig Sekunden ein knappes Dutzend an Verkehrsregeln und Grundrechten zu verletzen und gleich wieder über alle Berge zu sein.


Die Geschwindigkeit der Täter macht einen Hinweis auf ein bestimmtes Fahrzeug und einen bestimmten Fahrer so schwierig. Und da das Gleichheitsprinzip gilt, werden ihre Kreise vom Gesetzgeber als Teil des Kollektivs geschützt – also gilt auch für die Fahrer von Sportwagen und Luxusklassen grundsätzlich die Unschuldsvermutung. Sollten sie einmal Bußgeld zahlen müssen, so ist das für sie so lächerlich wie für unsereins, ein Kaubonbon zu kaufen. Das Kollektiv, das so etwas zulässt, ist der eigentlich Schuldige; doch gibt es weniger Mächtige und sehr Mächtige in diesem Kollektiv, und zu den Allermächtigsten gehört sicher die Auto-Industrie.


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[->] Vogonen sind eine Spezies aus dem interstellaren Raum, die nach Erkenntnissen von Douglas Adams anstrebt, die Erde in einen Stellplatz für ihre Fahrzeuge umzubauen. Es steht zu befürchten, dass ihnen hier auch schon Gelegenheit gegeben wurde, Hybriden zu erzeugen.



Copyright © 21.7.2007 St. Th. Hahn






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Kultur oder Kult ?


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