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Esskastanie_aktuell

Ausgabe 27.1.2009



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Tessiner Fladenbrot

Zur Pflanzenschutz-Situation (Artikel aus dem 'Nachrichtenblatt d. Dt. Pflanzenschutzdienstes')







Tessiner Fladenbrot


In einem Buch über die Kulturgeschichte der Bäckerinnung habe ich folgende Abbildung einer urtümlichen Vorrichtung zum Backen von Fladenbrot an der offenen Glut entdeckt.

Der offene Herd befand sich im Val Bavona, einem abgelegenen Seitental an der Maggia im Tessin, das über 1000 m Höhe erreicht.

Im Begleittext heißt es, dass auf der Steinplatte Fladenbrot aus Kastanien-Mehlbrei geröstet worden sei, sowie, dass eine solche Zubereitungsart bis in die Steinzeit zurück geht. Die kalten Fladen wurden wohl schnell hart und wurden eingeweicht oder beim Kochen verwendet.


Abbildung Herdstelle im Val Bavona

Foto: Käser in: R. Weiss: Volkskunde der Schweiz. Rentsch V., Zürich.
Quelle: Walther Adrian: So wurde Brot aus Halm und Glut. Ceres-V., Bielefeld,1951.


Allerdings halte ich es für ein Problem, aus reinem Kastanienmehl, das kein Kleber-Eiweiß besitzt, ohne Form Brot oder gar Fladen zu backen. Fladen aus Mischteig, der mit Kastanienmehl lediglich gesüßt ist, kann man sicher herstellen.

Aus dem Interieur könnte man auf einen Almhirten-Haushalt schließen, der tierische Produkte in den tieferen Talbereichen gegen Mehl eintauschen musste. Dort gibt es im Tessin tatsächlich Esskastanien-Haine, die es früher in ländlichen Gemeinden möglicherweise zu einem lohnenden Geschäft machten, die Früchte zu trocknen und zu Mehl zu mahlen. Der hohe Verarbeitungsaufwand lohnte sich, weil selbst kein Getreide angebaut werden konnte, und seine Beschaffung im Tiefland relativ teuer war.








Zur Pflanzenschutz-Situation der Edelkastanie in Deutschland (Artikel aus dem 'Nachrichtenblatt des Deutschen Pflanzenschutzdienstes')


Naturgemäß hat man sich in der Schweiz und im südlichen Europa früher mit dem Rindenkrebs und anderen Pathogenen der Esskastanie beschäftigt als hierzulande. In meinem Buch konnte ich lediglich von einem Befallsherd im Ortenaukreis berichten, der 1993 im 'Nachrichtenblatt des Deutschen Pflanzenschutzdienstes' beschrieben wurde. Anfang 2001 erschien in derselben Zeitschrift ein größerer Aufsatz zum Thema, den ich verspätet zu Gesicht bekam; vor einigen Wochen wurde dort außerdem über eine Ausbreitung der chinesischen Knospengallwespe in Europa berichtet.


Die Autoren D. Seemann, V. Bouffier, R. Kehr, A. Wulf, Th. Schröder, J. Unger, die zum Teil aktiv in der  IG Esskastanie  sind, vermitteln in ihrem Übersichts-Artikel "Die Esskastanie in Deutschland und ihre Gefährdung durch den Kastanienrindenkrebs" (Nachrichtenblatt d. Dt. Pfl.schutzdienstes Jg. 53, Nr.3, S.49) fundierte Kenntnisse zur Verbreitung der Esskastanien in Deutschland und wollen anhand des Befallsbildes von neun deutschen Befallsherden auch Empfehlungen zum Umgang mit dem sich in Deutschland ausbreitenden Kastanienrindenkrebs geben.

Hier wird beispielsweise erwähnt, dass kalkhaltige Böden wie am Kaiserstuhl in Süd-Baden bei Kastanien Chlorosen infolge von Kalium-Mangel hervorrufen.

Berichtet wird andererseits von erfolgreichen Versuchen, Kiefernreinbestände in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern mit Esskastanien zu unterbauen; eine ähnliche Beobachtung kann man an manchen Standorten im Kottenforst bei Bonn machen, wo sich Kastanienwildlinge unter Kiefernschirm stark ausbreiten.


An den Flächen mit stärkstem Rindenkrebs-Befall in Baden-Württemberg (Bottenau, Sasbachwalden) und Rheinland-Pfalz (Frankweiler) wurden folgende Beobachtungen gemacht: die Krankheit breitete sich nach einem Erstbefall innerhalb der Bestände stark aus; als Ausbreitungsgeschwindigkeit nehmen die Autoren mind. 250 m/a an. “Der Stockausschlag befallener Bäume ist erfahrungsgemäß innerhalb von drei Jahren infiziert. Im Bestand liegendes befallenes Holz ist mindestens drei Jahre infektiös. Es wird davon ausgegangen, dass erst fünf Jahre nach dem letzten nachgewiesenen Befall ein Befallsherd als erloschen gilt.”


Der Kastanienrindenkrebs ist meldepflichtig, und die Aufgabe der Forst- und Pflanzenschutzämter ist es, anhand dieser Meldungen Befallsgebiete auszuweisen. Die Autoren definieren als Befallsgebiet die Fläche im Umkreis von 250 m zu den Befallsstellen, also umfassen Befallsgebiete schon ohne die Ausdehnung des Befalls selbst mindestens 20 ha Fläche.
Durch die zuständige Behörde erfolgt dann die Anordnung der Sanierung bekannter Befallsherde (Rodung und Verbrennung), um eine Ausbreitung der Infektionen zu verhindern; ebenso sei eine “permanente Überwachung der Kastanienbestände” notwendig, um solche Gegenmaßnahmen rechtzeitig treffen zu können.
Befallenes Holz darf nicht in den Handel gelangen, “da auch bei sorgfältigster Entrindung immer Rindenreste am Stamm verbleiben könnten”.

Die Pflicht der Waldbesitzer zur Sanierung auf eigene Kosten bedeutet ein hohes Risiko: nicht nur, weil bei einem Befall keine Vermarktung mehr möglich ist und statt dessen hohe Sanierungskosten anfallen, sondern auch, weil die Ertragserwartungen in keinem Verhältnis zu diesem stets drohenden Schadensfall stehen. Daher sei zu prüfen, ob Sanierungsmaßnahmen nicht von öffentlich-rechtlicher Seite einer Förderung bedürften.

In diesem Kontext ist auf den Schaden für die Artenvielfalt hinzuweisen, der dadurch entsteht, dass die Edelkastanie nicht mehr angepflanzt oder sogar vorsorglich gerodet wird, weil eine Infektion mit dem Rindenkrebs befürchtet wird.


Andererseits erwähnen die Autoren “Bestrebungen, die Regulierungen für Kastanien zu lockern”, wie sie dann offenbar in der EU auch durchgesetzt wurden, wie ich  auf dieser Website anhand der Gesetzestexte berichtet  habe.

Große Hoffnungen werden nämlich in die Hypovirulenz gesetzt - die Schwächung des pilzlichen Pathogens durch einen Virus.

Hypovirulenz breitet sich aber erst nach einer längeren Krankheitsdauer aus, also nach mehreren Jahren oder gar, nachdem der Höhepunkt der Epidemie überschritten ist. Demnach dürfte man sich also nicht allzu viele Hoffnungen bezüglich der sich in Europa ausbreitenden Hypovirulenz machen: zuerst kommt die Epidemie, und die Hypovirulenz erst dann, wenn es zu großen Schäden gekommen ist ... Während der Epidemie könnten auch neue Kompatibilitätsgruppen auftreten oder einwandern, die die entstehende Hypovirulenz einschränken, meinen die Autoren.

“Das Warten auf die selbständige Ausbreitung der natürlichen Hypovirulenz würde zu einer Durchseuchung und damit letztlich zu einem starken Rückgang der Kastanie in den Kerngebieten ihrer Verbreitung führen.” Die Autoren betonen, dass dies auch ein Verstoß gegen die (damals noch) bestehende Pflanzenschutz-Gesetzgebung darstellen würde.


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Thomas Schröder und Ernst Pfeilstetter berichten über die Einschleppung der Kastanien-Knospengallwespe (Dryocosmus kuriphilus) in Europa (Nachrichtenblatt d. Deutschen Pflanzenschutzdienstes Bd.60 [Augustheft 2008], S.190).

Dem Kurzartikel ist ein Foto großer blasenartiger Gallen auf den Blattunterseiten (!!!) einer Esskastanie beigefügt.

Die aus Südchina stammende und schon in die südlichen Oststaaten der USA eingeschleppte Gallwespe wurde zuerst 2002 in den italienischen Meeralpen bei Cuneo nachgewiesen. Von dort soll sie sich mit einer Geschwindigkeit von 10 km pro Jahr ausgebreitet haben (z.B. auch nach Frankreich); vor allem wurde die Gallwespe mit Pflanzenmaterial auch nach Slowenien eingeschleppt.

Im Verlauf des Jahres 2006 wurden EU-Regelungen bezüglich dieses neuen Schädlings vorgenommen, die ein Pflanzengesundheits-Zeugnis vorschreiben, aber auch, dass jährlich amtliche Untersuchungen zum Auftreten des Schädlings und Bekämpfungsmaßnahmen vorgenommen werden. Bei einer darauf folgenden Erhebung in Deutschland wurde festgestellt, dass die Schlupfwespe 2007 hierzulande noch nicht vorkam.






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