Kann sich die Vegetation am Unteren Mittelrhein regenerieren?

2024 war nur eine Erholungspause

(Fortstzg.)





rotten wood


Warme Winter, dürre Sommer
Gewaltiger Schaden durch Borkenkäfer
Der Wald verrottet
- Ersatzvegetation
Die Zahlen des Bundesministeriums
- Fördergelder
Spezifisches oder allgemeines Waldsterben?
- Die Rotbuche
- Eichenwald am Mittelrhein
Die Pflanzenphysiologie unter Stress
Regenerationsprozesse
Wasserhaushalt im Bestand - ein Überlebensfaktor
Natürliche oder künstliche Wiederbewaldung?
- Naturwald
Quellenangaben




Die Zahlen des Bundesministeriums

In einer Pressemitteilung des Landwirtschaftsministeriums wurden im Februar 2020 die bundesweiten Daten zu der Dürrekatastrophe 2018 - 19 veröffentlicht [BMEL 2020]. Alle Schadflächen, die ab 2018 entstanden sind und erwartet wurden, sowie das erfasste Schadholz 2018 und 2019 und das 2020 zu erwartende Schadholz wurden aufgeschlüsselt nach Bundesländern.


Die geschädigten Flächen summierten sich auf 245000 ha, davon weniger als ein Drittel Staatswald. Mit Abstand am stärksten geschädigt wurde Nordrhein-Westfalen mit 68000 ha, gefolgt von Thüringen mit knapp 30000 ha. [BMEL 2020]
In Rheinland-Pfalz wurde mit 16700 ha eine größere Fläche geschädigt als in Bayern.


Die Schadholzmenge von insgesamt mehr als 160 Mio cbm schlüsselte sich hingegen teilweise ganz anders auf, wobei der Anteil des reklamierten Schadholzes bei den Laubbäumen jedenfalls 2018 und 2019 i.Allg. deutlich unter 10 % lag:
2018 reklamierten Bayern, Hessen und Niedersachsen, 2019 und 2020 jedoch NRW, Bayern und Hessen die größten Schadholzmengen. [BMEL 2020]

Insgesamt kam NRW auf 35 Mio. cbm Schadholz, Bayern auf 26,5 Mio. cbm, Hessen auf fast 20 Mio. cbm, Baden-Württemberg auf 15,8 Mio. cbm und Niedersachsen auf 13 Mio. cbm Schadholz (dicht gefolgt von Sachsen-Anhalt und Thüringen).
Rheinland-Pfalz hatte eine Schadholzmenge von gut 8 Mio. cbm zu beklagen, und zwar zu 95 % von Nadelbäumen.


Fichten-Totholz

Eigentlich recht gesunde Fichten sind deutschlandweit auf einen Schlag abgestorben. Kesselberg bei Oberbreisig; 25.2.2025 © STH.


Diese Zahlen wurden 2021 anlässlich des Waldgipfels am 2. Juni vom Landwirtschaftsministerium nach oben korrigiert [BMEL 2021]:
Die geschädigte Waldfläche habe rund 277000 ha betragen.
2018 seien 35,7 Mio. cbm Schadholz angefallen, 2019 68,8 Mio. cbm, und 2020 66,3 Mio. cbm, insgesamt also 170,8 Mio. Festmeter (davon nur 14,1 Mio. Laubholz).


Tod der Fichte

Man kann die Fichte an ihren rundlichen Rindenschuppen erkennen. Kesselberg bei Oberbreisig; 25.2.2025 © STH.



Fördergelder

Im Rahmen der sogenannten 'Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK)' wurden 2019 von der Bundesrepublik Hilfsgelder sowohl für private als auch kommunale Waldeigentümer in Höhe von 478 Mio. € “für die Jahre 2020 bis 2023” in Aussicht gestellt (Bundesmittel).
"Zusammen mit der Ko-Finanzierung der Länder stehen damit aus der GAK rund 800 Millionen Euro für Maßnahmen zur Bewältigung der Waldschäden auf den Schadflächen sowie für Maßnahmen im gesamten Wald zur Anpassung der Wälder an den Klimawandel bzw. den Waldumbau zur Verfügung." [BMEL 2021]


Die "Räumung der Kalamitätsflächen" und die Entnahme befallener Bäume wurde mit einem hohen Anteil des Fördertopfes von 169 Mio. € gefördert [BMEL 2021].

Für die Wiederaufforstung von 2673 ha (weniger als 1 % der ausgewiesenen Schadflächen) wurden nur 24 Mio. € ausgegeben. Allerdings wurden Neupflanzungen für den Waldumbau auf 5084 ha in anderen Waldflächen mit weiteren 28 Mio. € gefördert. [BMEL 2021]


Recht beliebig und nicht klimaangepasst, dafür umso kostspieliger war die Förderung der technischen Ausstattung der Waldbau-Unternehmen mit 50 Mio. €.

Von den bis März 2021 ausgezahlten Fördergeldern hatte Bayern bereits den Löwenanteil von ca. 35 % eingestrichen.


Zielgenauer war der hohe Förderanteil für einen Waldumbau mit 240 Mio. € über eine einmalige, Hektar-bezogene "Bundeswaldprämie" bei dauerhafter Zertifizierung klimagerechter Waldflächen für mindestens 10 Jahre. Dadurch sei der Anteil des zertifizierten Privat- und Kommunalwaldes auf 73 % gestiegen. [BMEL 2021]



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Spezifisches oder allgemeines Waldsterben?

Die ersten massiven Vegetationsschäden durch die Klimaveränderung in Deutschland haben "naturferne, reine, gleichaltrige" Fichtenforsten am härtesten getroffen [Schölmerich 2025].


Fichten und Kiefern, die in der Natur nur einen Vegetationsanteil von einigen Prozent erreichen würden, wurden auf jeweils etwa einem Viertel der deutschen Waldflächen angebaut [Willinger 2018].


Zwar war die Anbaupraxis der Fichtenmonokultur als ökologisch unverträglich bekannt, die eigentliche Ursache der Vegetations- und Waldschäden sind aber die ökologisch unverträglichen gesellschaftlichen Praktiken, die einen verheerenden Klimawandel herbeiführten.


Auch andere Waldtypen als die Fichtenmonokultur wurden bereits massiv geschädigt, so dass sich an ihrer Stelle Konkurrenzvegetation oder sogar Ödland ausbreitet.


geschädigte Traubeneichen Traubeneichen-Wald

Geschädigter Traubeneichen-Wald im Spätsommer und im Winter. Oberhalb von Brohl; 1.9.2024 und 26.12.2024 © STH.


Tendenziell wären immergrüne Laub- und Nadelgehölze an ein Warmzeitklima sicher besser angepasst als die laubabwerfenden Bäume.

Deshalb erstaunt mich der Untergang der meisten Waldkiefern im Mischbestand der Wälder um Bad Breisig.
Dabei war diese Art (Pinus sylvestris) seit Jahrtausenden auch in kontinentalen Gebieten mit sehr trockenen Sommern allgemein verbreitet.
Da hierfür die Ursache nicht dem Borkenkäfer in die Schuhe geschoben werden kann, ist das Kiefern-Sterben ein Symptom für einen einschneidenden Wandel des Klimasystems.


Die Rotbuche

Offensichtlich zeigte sich die Buche anfälliger gegenüber der Sommentrockenheit der letzten Jahre als angenommen, wobei allerdings die Aufeinanderfolge gleich von mehreren Jahren Dürre einen extremen Gefährdungsfaktor darstellt.


massive Schäden an der Buche

Besonders an den Waldhängen hat die Rotbuche in Bad Breisig massive Schäden erlitten. Abhang am Kesselberg nördlich von Bad Breisig; 25.2.2025 © STH.


Das Areal der Rotbuche in Europa umfasst eigentlich eine sehr weite Amplitude von Niederschlags- und Temperaturverhältnissen: 500 – 1400 mm Jahresniederschlag, 3 – 13° C Jahresmitteltemperatur [Schlagner-Neidnicht et al. 2020].

Dennoch erscheint es bereits fraglich, ob die für Deutschland prognostizierten Werte einer Klimaerwärmung noch im Toleranzbereich der Rotbuche liegen.


Der Waldhang an der Augustenhöhe zwischen Rheineck und Niederbreisig wurde eigentlich von der Buche beherrscht, so dass man meinen könnte, bei der dort anzutreffenden extremen Mortalität handele sich um einen Sonderfall.

Wie man meinen Fotos entnehmen kann, sind in Bad Breisig aber alle Baumarten von höchster Mortalität betroffen.


abgestorbene Schwarzpappel

Selbst die Pappeln in den Flussauen können vertrocknen. Rhein-Aue an der Burg Rheineck; 24.3.2025 © STH.


Trotzdem lassen sich die auffälligen Ausfälle der Buche an diesen Waldhängen wohl mit dem starken Wasserabzug des Standortes erklären.


tote Buchen tote Buchen

Eine Anhäufung von Rotbuchen-Dürrständern an der Augustenhöhe. Niederbreisig; 17.3.2024 © STH.


Zu flächenhaftem Absterben von Buchenwäldern kam es auch andernorts infolge unzureichender Wasserzufuhr über die Leitgefäße auf wasserdurchlässigen Substraten wie Sand und Kies [Frey 2019].

Die Buche soll außerdem zusätzlich geschwächt gewesen sein, weil sie zuvor nach mehreren Jahren wieder ein Mastjahr hatte.


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Eichenwald am Mittelrhein

Die größten Überlebenschancen unter den einheimischen Waldbäumen werden nach guter Schildbürger-Art nun anscheinend den beiden Eichenarten zugeschrieben, besonders der Stieleiche (Quercus robur).

An den Hängen des Mittelrheines wachsen allerdings fast ausschließlich Traubeneichen (Quercus petraea).

Auch die hiesigen Traubeneichenbestände erleiden bleibende Schäden, besonders wenn sie der Sonne direkt ausgesetzt sind.


exponierte Kronen

Exponierte Kronen der Traubeneiche. Waldhang an der Augustaburg, Brohl; 24.3.2025 © STH.


Ein Buchen-Eichen-Mischwald prägte im gesamten vom Atlantischen Ozean beeinflussten Westeuropa die Waldgebiete insbesondere an kalkarmen Standorten [Wilmanns 1984].

Dieser Wald hatte sich allerdings erst infolge der intensiven Nutzung eines stärker von der Buche dominierten Urwaldes entwickelt.


In Deutschland ersetzte den Buchenwald auch ein Eichen-Hainbuchenwald, der überwiegend durch den Druck der Beweidung entstanden sein soll und daher nicht selten Ilex aquifolium, die Stechpalme, als Weideunkraut enthält.
Seine planaren Formen verdrängten die Buche nordwestlich des Rheins und des Mains sogar an feuchten Standorten. Seine kollinen Formen mit wärmeliebenden Arten sind weiter im Süden anzutreffen. [Mertz 2002]


Diese stärker von Eichen dominierten Wälder sind offener und heller als der Buchenwald. Der Erdboden konnte sich stärker erwärmen und durch Evaporation trockener werden.


Hainbuchen-Unterwuchs

Unter den geschädigten Kronen der Traubeneiche kann sich die Hainbuche entfalten, deren Laub aber noch empfindlicher als das der Eichen ist. Waldhang an der Augustaburg, Brohl; 24.3.2025 © STH.


Laut ‘Karte der natürlichen Vegetation Europas’ des Bundesamtes für Naturschutzes von 2002 besitzt das Gebiet an Mittelrhein, Mosel und Lahn auf säurebildendem Silikatgestein und flachgründigen Böden einen in Mitteleuropa einzigartigen Vegetations-Komplex aus trockenem Eichen-Hainbuchenwald, Trockenwald und Felsgebüschen.

Außerhalb der Felsstandorte bilden aber auch am Mittelrhein Buchenwälder die potentielle natürliche Vegetation (Beispiel Forstamt Boppard).


Die hierzulande nur in Reliktform vorkommenden wärmeliebenden Eichenmischwälder bilden eine eigene pflanzensoziologische Ordnung, die eigentlich in Südeuropa verbreitet ist.

Dieser Waldtyp steht bereits an der Tockengrenze des Waldes [Wilmanns 1984]. Bei zunehmender Erwärmung und Austrocknung würde er also wie in Südeuropa in Trockengebüsch und Steppe übergehen.

Wegen der standortbedingten räumlichen Begrenztheit kann dieser Wald am Mittelrhein aber kein Indikator für die Waldentwicklung in ganz Deutschland sein.


Versteppung

Eine Versteppung des trockenen Eichenwaldes am Mittelrhein ist durchaus möglich. Waldhang an der Augustaburg, Brohl; 24.3.2025 © STH.



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