Die Pflanzenphysiologie unter Stress
Entgegen der öffentlichen Darstellung ist der Klimawandel weniger eine wirtschaftliche Gefahr, die das Einkommen verringern könnte, als vielmehr eine bereits jetzt faktisch gewordene biologische Katastrophe.
Die Vegetation als Grundlage höheren terrestrischen Lebens gibt ihren Geist auf.

Ein Waldhang voller umgefallener Bäume. Niederbreisig, am 28.1.2024 © STH.
Das Problem der hohen Mortalität der Waldbäume trotz der angeblichen Zuwächse durch das erhöhte CO2-Angebot in der Atmosphäre erklärt sich aus veränderten Umweltbedingungen, an die diese Arten nicht angepasst sind.
Ein physiologischer Kollaps als Ursache scheint naheliegend.
Auch die vorherige Schädigung der Wälder und Böden durch Übernutzung, Degradierung, Schadstoffe und Sauren Regen ist zu berücksichtigen.
Die Kombination aus Stoffabbau infolge hoher Wintertemperaturen und plötzlichem Frost scheint viele alte Bäume zum Umfallen zu bringen.
Dabei war eine bleibende Schneedecke als Indikator klimatischer Normalität auch 2024 und 2025 nur noch stundenweise zu beobachten.

Das Wunder eines Tags mit Schnee wird immer seltener. Rheineck, am 16.1.2024 © STH.
Andererseits könnte die Verlängerung der thermischen Vegetationsperiode positive Auswirkungen auf die Mykorrhiza bildenden Waldpilze und die trophischen Systeme der Bodenorganismen haben.
Die warmen Winter dürften aber den Laubwald letztlich schwächen, da sein Stoffwechsel monatelang in angeregten Zustand versetzt wird, ohne dass die notwendige Energie dafür durch immergrünes Laub geliefert werden kann.
Davon profitiert vor allem das Efeu, das dank der warmen Winter nicht nur die abgestorbenen Bäume erobert.

Efeu als das Grün des Winters ersetzt die Schneedecke. Niederbreisig, am 24.3.2025 © STH.
Äußerlich gibt es noch Flecken intakten Waldes, die sich scheinbar eine endogene Lebenskraft bewahren. Doch auch diese Bestände sind zu hohen Anteilen im Absterben begriffen.
Am erschreckendsten wirkt, dass gerade die direkt der Sonne ausgesetzten Kronenbereiche, Bäume und Waldränder von den schwersten Absterbeerscheinungen betroffen sind - sicher nicht wegen des schönen Foto-Wetters, sondern wegen physiologischer Probleme bei monatelangem Ausbleiben von Niederschlägen.
Die Behauptung, Bäume könnten sich immer wieder aus dem Holz regenerieren, ist ein Irrglaube, da intakte Laubkronen das wichtigste Stoffwechselorgan und die Voraussetzung für einen solchen Baumwuchs sind.

An vielen Stellen gibt es nichts mehr, was sich regenerieren könnte. Waldhang bei Rheineck, am 19.9.2024 © STH.
Besonders von der Dürre betroffen sei die Buche bei "Blatttemperaturen von über 42 Grad und Sonnenbrand an dünnrindigen Kronenzweigen" [Frey 2019].
Dabei sollen die empfindlichen Blätter des temperaten Laubwaldes und ihr Photosyntheseapparat bereits bei einer Erwärmung auf > 25° C nur in der Mittagshitze Schäden davontragen [Hauck/ Leuschner/ Homeier 2019 - Kap. 5].
Regenerationsprozesse
Nach mehreren Trockenjahren war 2024 keine ausgesprochene Dürre zu beklagen, so dass tatsächlich wieder der Eindruck einer halbwegs normalen Pflanzenentwicklung entstand.

Vorfrühling bei Niederbreisig, am 17.3.2024 © STH.

Frühling bei Oberbreisig, am 30.4.2024 © STH.
Dieser Eindruck der Rückkehr zu normalen Klimabedingungen kann aber täuschen!
Auch im Jahr 2018 leitete eine La Niña-Phase eine mehrjährige Dürre ein. Anfang 2025 ist wieder eine La Niña-Phase.
Im April scheint Getreidefelder nichts von ihrem Aufwuchs abhalten zu können. Ein paar Wochen später kann die Trockenheit so groß sein, dass sie nur Kümmerkorn hervorbringen, was sich auch auf die Brotqualität auswirkt.

Saataufgang in der Rheinaue bei Bad Breisig, am 8.4.2025 © STH.

Aussicht im April von Norden auf Bad Breisig. 8.4.2025 © STH.
Der Frühlingsflor währt nur wenige Tage und gerade die seit Jahren zu beobachtende Frühjahrstrockenheit gefährdet ebenso die natürliche Vegetation wie die Anbaukulturen.
Kirschen und Obstbäume blühen, werden aber in jedem zweiten Jahr durch Frost, Hagel oder Starkregen um ihren Ertrag gebracht.

Blick auf Rheineck, am 6.4.2024 © STH.
Auch unerwartete Spätfröste nach einem viel zu warmen Winterhalbjahr wurden in den letzten Jahren zu einem Problem.
Das galt in Bad Breisig auch für die Walnuss-Bäume der Feldflur, von denen manches reich fruchtende Exemplar nach Abfrieren des Austriebs abgestorben ist.
Wiesen und Weiden und das Feldgesträuch regenerieren sich in jedem April und scheinen den Klimawandel besser zu überstehen als der Wald.


Weiden und Gesträuche bei Oberbreisig, am 27.4.2025 © STH.
Auch manche Waldstücke schienen beweisen zu wollen, dass es nur der dunkle Winter war, der die Vegetation geschädigt hat.
Selbst Flächen, die 2018/19 so stark ausgetrocknet waren, dass ich sie schon aufgegeben hatte, regenerierten sich 2024/25 bis auf einige Tothölzer, hauptsächlich Waldkiefern, wieder.

Dieser Waldhang bei Oberbreisig war vollkommen ausgetrocknet. Kesselberg, am 29.4.2025 © STH.

Neben abgestorbenen Stämmen regeneriert sich auch dieser Wald. Kesselberg, am 29.4.2025 © STH.
Wasserhaushalt im Bestand - ein Überlebensfaktor
Auf Grund der allgemeinen Hitze und Trockenheit verwundert immer wieder die enorme Regenerationsfähigkeit des Holzes und der Überdauerungsorgane, die Laub und Blattgrün hervorbringen.

Gesträuch an einem trockenen Südhang in Oberbreisig, am 29.4.2025 © STH.
Krautpflanzen und Baumlaub erfahren wenigstens bis zum Frühsommer immer wieder ein luxuriöses Wachstum, bevor es zu Welkeerscheinungen kommt.
Die verdoppelte CO2-Konzentration in der Atmosphäre soll die Nährstoffversorgung der Pflanzen erleichtern mit dem Nebeneffekt des früheren Verschließens der Spaltöffnungen - dadurch werde der Wasserverbrauch reduziert [Lotze-Campen/ Dreblow/ Wechsung in: DLG 2008].
Nach anderen Interpretationen führt die bessere CO2-Versorgung jedoch im Gegenteil auch zu einem deutlich höheren Wasserverbrauch!
Bei längeren Dürreperioden bleibt den Pflanzen aber nur wenige Wochen Zeit, um abgestorbene Organe zu regenerieren und Reserven zu bilden. Eine ausreichende Wasserversorgung im Frühjahr und Sommer ist dazu besonders wichtig.

Mai-Regen in einem Gebiet mit hoher Baum-Mortalität. Niederbreisig, am 27.5.2024 © STH.
Im Sommer 2024 fiel relativ häufig Regen, und den Waldbäumen, die die vorigen Jahre überlebt haben, gelang noch einmal ein beachtliches Wachstum. Von den abgestorbenen Nachbarn ward bis auf einige Bestandslücken nichts mehr zu sehen.

Zwei Monate später im selben Gebiet. Niederbreisig; 22.7.2024 © STH.
Doch wo sich Bestandslücken gebildet haben und die restlichen Bäume der direkten Sonneneinwirkung ausgesetzt sind, wirkt ihr Wuchsverhalten oft geschwächt oder sogar beeinträchtigt.

Lücken im Hangwald. Reutersley, am 17.9.2024 © STH.

Bestandslücke mit der Hainsimse (Luzula pilosa), dem typischen Unterwuchs in diesem Waldgebiet. Reutersley, am 17.9.2024 © STH.
Der wichtigste Überlebensfaktor für Vegetation und Wald ist der Erhalt geschlossener spezifischer Bestandsformationen, die Standort und Boden vor Verdunstung und Austrocknung schützen. Bei ausreichender Wasserversorgung bleiben Bestand und Pflanze auch regenerationsfähig.
Natürliche oder künstliche Wiederbewaldung?
Nach 5 Dürrejahren sind viele Lücken bisher noch nicht zurückerobert.
Die Sonne scheint die Verjüngung und die Altbestände wie ein Brennglas an der Entwicklung zu hindern.
Dasselbe gilt für Neupflanzungen: nur bei maximalem Schutz durch den Bestand, selbst durch konkurrierenden Wildwuchs, scheinen Setzlinge zu gedeihen.
Infolge der Dürre sollen 2018 in der Forstwirtschaft ein Drittel aller neuen Setzlinge vertrocknet sein [Willinger 2018].

Waldrand mit schützendem Wildwuchs. Kesselberg, am 29.4.2025 © STH.
Als Feind des Waldes wird aber immer noch nicht der Mensch und seine Klimapolitik, sondern das Rehwild gebranntmarkt, weil es die Naturverjüngung und die Neupflanzungen auf den Schadflächen verbeiße [Schölmerich 2025].
Politisch soll weiterhin auf die "Potentiale der natürlichen Verjüngung" und "eine natürliche Waldentwicklung" gesetzt werden ['Natur in NRW' 2020].
Doch ist der Erfolg eines solchen Managements in einer unnatürlichen Umwelt und unter einem unnatürlichen Klimaregime schwer vorstellbar.
Man muss auch daran erinnern, dass die ehemaligen Fichten-Monokulturen nach ihrem Untergang nicht die besten Böden hinterlassen.

Aufforstung auf der Fläche eines ehemaligen Fichtenbestandes. Kesselberg, am 29.4.2025 © STH.
Laut “Waldzustandsbericht NRW 2020” sollen als Wiederbewaldungskonzept auf den Schadflächen Mischbestände mit mindestens vier Baumarten, vorwiegend einheimischen Laubbäumen, angelegt werden.
Das ist keine schwere Aufgabe, da die einheimischen Koniferen im Tiefland ohnehin nicht mehr anbaufähig sind.
Nach den Dürresommern 2018/19 zeichnete sich ein neues Waldsterben ab. Daher wurden bereits Rufe laut, dass, um mit der zunehmenden Trockenheit zurechtzukommen, nur Bäume aus heißen, trockenen Zonen in Frage kämen [Frey 2019].
Eine Hoffnung bleibt, dass auch der Jungwuchs aus der Naturverjüngung des bestehenden Waldtyps sich dank seiner genetischen Ausstattung neu akklimatisieren und anpassen kann ...
Gerade Jungpflanzen sind allerdings besonders dürreanfällig und können sich daher nur im Bestandsschutz entfalten.
Selbst vorgezogenen Jungpflanzen, die man ins freie Feld pflanzt, kann es passieren, dass sie umgepflügt werden müssen.

Diesen Jungpflanzen scheint die Beschattung zu fehlen. Kesselberg, am 29.4.2025 © STH.
Naturwald
Eigentlich wird naturnahen Wäldern eine höhere Resilienz gegenüber der Klimaerwärmung zugesprochen als Kunstforsten.
Bei der Untersuchung von neun verschiedenen Naturwaldzellen in NRW mit geringer Streuung der Bodenbedingungen und der ‘nutzbaren Feldkapazität’ (dem Bodenwasserspeicher) und ihrem Vergleich mit den landesweiten Aufnahmen der Wirtschaftswälder 2019 zeigte sich jedoch, dass die Laubverluste der Wirtschaftswälder 2019 geringer waren als die der Naturwaldzellen. [Schlagner-Neidnicht et al. 2020]
In 2019 und 2020 Ende Juli und August erfolgte eine "visuelle Ansprache der Belaubungsverluste". Die mittleren Blattverluste der verschiedenen Naturwaldzellen mit Rotbuchen-Beständen lagen 2019 bei 45 % und 2020 bei 40 %; an einem Standort kam es sogar zu einem Laubverlust von 75 % bzw. 70 %. [Schlagner-Neidnicht et al. 2020]
Es wird daher diskutiert, ob im Wirtschaftswald durch Durchforstung und Freistellung eine bessere Wasserversorgung der Einzelbäume gewährleistet wird als im Naturwald mit einer "deutlich höheren Stammzahl pro Hektar".
Es könnte aber auch an der Baumartenwahl liegen oder daran, dass Wirtschaftswälder jünger und starkwüchsiger sind als Naturwälder, oder, dass den Wirtschaftswäldern bessere Standorte vorbehalten werden als den Naturwäldern.
Das für den Erhalt wertvoller Faunen-Biotope und für großräumige Kohlenstoff-Senken durchaus lobenswerte Naturwaldkonzept hat außerdem den entscheidenden Nachteil, dass Altbestände aus der Zeit der kleinen Eiszeit vor 150 - 200 Jahren herstammen könnten und daher (im Gegensatz zur Naturverjüngung der Naturwälder) noch am wenigsten an den Klimawandel angepasst wären.
Quellenangaben
- Otti Wilmanns: Ökologische Pflanzensoziologie; 3. erw. Aufl.. Heidelberg, 1984.
- Peter Mertz: Pflanzenwelt Mitteleuropas und der Alpen; überarb. Sonderausgabe. Hamburg, 2002.
- DLG e.V. (Hg.): Schonende Bodenbearbeitung - Systemlösungen für Profis. Frankfurt, 2008.
-- Lotze-Campen/ Dreblow/ Wechsung: Teil 6 - Landwirtschaft und Klimawandel weltweit
- Gunther Willinger: Der Sommer hat dem Wald zugesetzt - Was jetzt? spektrum.de, am 1.11.2018.
- Aktuelle Nachrichten ("Journal") in: Natur in NRW 2018, Nr.4
- Markus Hauck/ Christoph Leuschner/ Jürgen Homeier: Klimawandel und Vegetation - Eine globale Übersicht. Berlin, 2019.
-- Kap. 5: Temperate Waldzone
- Andreas Frey: Wunderbaum gesucht. spektrum.de, am 16.09.2019.
- BMEL (Bu-min. f. Ern. u. La-wi.): Pressemitteilung Nr. 40/2020. www.bmel.de, am 26.2.2020.
- Aktuelle Nachrichten ("Journal") in: Natur in NRW 2020, Nr.4
- J. Schlagner-Neidnicht/ U. Hipler/ L. Bantin/ M. Elmer: Vitalität der Buchen in Naturwaldzellen - Auswirkungen der Trockenjahre seit 2018 (Natur in NRW 2020, Nr.4, S.30)
- Fernseh-Dokumentation zum Frankfurter Stadtwald von Silke Klose-Katte; hr, am 4. April 2021 (Ostern)
- BMEL (Bu-min. f. Ern. u. La-wi.): Zahlen & Fakten - Zum Waldgipfel am 2. Juni 2021.
- Uwe Schölmerich: Wiederbewaldung im Klimawandel. Natur in NRW 2025, Nr.1 , S.32.